Leitsatz (amtlich)

Eine gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW mitbestimmungspflichtige Arbeitszeitänderung liegt nicht vor, wenn die Arbeitszeit eines einzelnen Beschäftigten täglich um eine halbe Stunde nach hinten verschoben wird.

 

Normenkette

LPVG NW § 72 Abs. 4 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

VG Aachen (Aktenzeichen 16 K 2762/96.PVL)

 

Tatbestand

Die Arbeitszeit einer in der von einem Studentenwerk betriebenen Cafeteria beschäftigten Mitarbeiterin wurde täglich um eine halbe Stunde nach hinten verschoben. Der Antrag des Personalrats festzustellen, daß die Änderung der Arbeitszeit seiner Mitbestimmung unterliege, blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 – 1. Alternative – LPVG NW hat der Personalrat, soweit – wie hier – eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Zweck der Mitbestimmung als Mittel des kollektiven Schutzes ist es, die berechtigten Belange der Beschäftigten mit den dienstlichen Erfordernissen in Einklang zu bringen.

Vgl. BVerwG, Beschluß vom 23.12.1982 – 6 P 36.79 –, ZBR 1983, 132.

Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich seinem Sinngehalt nach, wie sich insbesondere aus dem Eingangssatz des § 72 Abs. 4 Satz 1 LPVG NW ergibt, nur auf generelle Regelungen, die für die Beschäftigten einer Dienststelle insgesamt oder für eine Gruppe von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit festlegen.

Vgl. Beschlüsse des Fachsenats vom 21.6.1989 – CL 55/87 –, PersR 1991, 216, und vom 4.3.1994 – 1 A 3467/91.PVL –.

Unter einer Gruppe ist der funktional abgrenzbare Teil der Beschäftigten einer Dienststelle zu verstehen. Dabei kann sich die Abgrenzung unter den verschiedensten Gesichtspunkten ergeben, z. B. organisatorischen, aufgabenmäßigen oder persönlichen.

Vgl. Beschluß des Fachsenats vom 4.3.1994 – 1 A 3467/91.PVL –; OVG NW, Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen, Beschluß vom 9.8.1989 – CB 29/87 –, PersR 1990, 29.

Bei Individualmaßnahmen besteht dagegen kein Mitbestimmungsrecht.

Vgl. Havers, LPVG NW, 9. Aufl., § 72 Erl. 56.2; Lorenzen/Haas, BPersVG, § 75 RdNr. 114 a; a. A., Krieg/Orth/ Welkoborsky, LPVG NW, 4. Aufl., § 72 (4) 1 S. 417.

Im vorliegenden Fall braucht nicht entschieden zu werden, wie hoch die Zahl der von einer Arbeitszeitfestsetzung betroffenen Beschäftigten mindestens sein muß, um eine kollektive Maßnahme annehmen zu können.

Vgl. hierzu Beschluß des Fachsenats vom 21.6.1989 – CL 55/87 –, aaO.

Denn im vorliegenden Fall ist nur eine Beschäftigte betroffen. Hieran ändert nichts, daß seinerzeit auch die Arbeitszeiten anderer Beschäftigter geändert worden sein mögen. Daß diese Beschäftigten funktional miteinander verbunden waren und somit eine Gruppe gebildet haben, ist nicht ersichtlich. Bei den Arbeitszeitänderungen handelt es sich danach nicht um eine kollektive Maßnahme, sondern allenfalls um eine Vielzahl von Individualmaßnahmen.

Allerdings kommt es nach der Rechtsprechung des BAG hinsichtlich des Vorliegens einer kollektiven Maßnahme auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer nicht entscheidend an.

Vgl. BAG, Beschluß vom 18.11.1980 – 1 ABR 87/78 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit m. Anm. v. Meisel.

Aber auch das BAG verlangt, daß die kollektiven Interessen der Arbeitnehmer eines Betriebes berührt werden.

Vgl. BAG, Beschluß vom 18.4.1989 – 1 ABR 3/88 –, AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.

Dies kann nach Auffassung des BAG bereits der Fall sein, wenn ein Arbeitnehmer von einer Schicht in eine andere wechselt.

Vgl. BAG, Beschluß vom 23.11.1993 – 1 ABR 38/93 –, AP Nr. 33 zu § 95 BetrVG 1972 unter Hinweis auf Beschluß vom 27.6.1989 – 1 ABR 33/88 –, AP Nr. 35 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit.

Ganz abgesehen davon, daß, wie ausgeführt, zum Personalvertretungsrecht in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend ein quantitativer Gruppenbegriff vertreten wird, bedarf es vorliegend keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BAG, weil nicht ersichtlich ist, daß kollektive Interessen der Beschäftigten berührt werden, wenn die Arbeitszeit eines einzelnen Beschäftigten täglich um eine halbe Stunde nach hinten verschoben wird. Dies führt nicht zu einer Mehrbelastung der übrigen Beschäftigten, da sich an der Zahl der Beschäftigten und dem Umfang der von ihnen geleisteten Arbeitsstunden nichts ändert. Eine derartige Maßnahme dient lediglich der Anpassung der Lage der Arbeitszeit an den jeweiligen Arbeitsanfall und damit der besseren Aufgabenerledigung. Die übrigen Beschäftigten werden hiervon nicht betroffen.

 

Fundstellen

PersR 1999, 28

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