Entscheidungsstichwort (Thema)
Stellen eines Antrags auf Auszahlung der vorzeitigen Altersrente für einen Insolvenzschuldner als Berechtigung eines Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Der Insolvenzverwalter ist nicht berechtigt, den Antrag auf Auszahlung der vorzeitigen Altersrente für den Insolvenzschuldner zu stellen.
Normenkette
InsO § 80 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 121.798,20 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts nur insoweit angegriffen wird, als die Klage abgewiesen wurde, ist nicht begründet.
1. Das Antragsvorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Der Kläger wendet sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Recht, die vorgezogene Altersrente zu beantragen, falle – anders als die Rentenansprüche des Insolvenzschuldners – nicht in die Insolvenzmasse. Es sei nicht lediglich ein unselbständiges (akzessorisches) Nebenrecht zu dem Rentenanspruch selbst. Vielmehr gebe die Satzung dem Mitglied des Versorgungswerks eine Dispositionsbefugnis, die mit finanziellen Auswirkungen für sein weiteres Leben verbunden sei. Denn der Bezug einer vorgezogenen Altersrente führe zu Rentenabschlägen, die – je nach Zeitspanne vor Entstehung des Anspruchs auf reguläre Altersrente – erheblich sein könnten. Eine solche Entscheidung stehe aber nur dem Mitglied zu, weil nur dieses beurteilen und verantworten könne, inwieweit die Verminderung der Altersrente im Rahmen seiner Lebensplanung vertretbar oder sinnvoll sei.
Die dagegen erhobenen Rügen des Klägers greifen nicht durch. Er ist der Auffassung, als Insolvenzverwalter berechtigt zu sein, für den Insolvenzschuldner die vorgezogenen Altersrente zu beantragen, und leitet dies „aus der insolvenzrechtlichen Wertung des § 36 InsO” ab. Das Antragsrecht diene der Durchsetzung des Anspruchs auf Zahlung der vorgezogenen Altersrente, welche nach der Rechtsprechung des BGH pfändbar sei. Unter Verweis auf einen Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 18. Juli 1995 – 4 T 250/95 – (NJW-RR 1996, 59) und Kommentarliteratur (Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage 2004, § 857 Rn. 3; Stöber, Forderungspfändung, 15. Auflage 2010, Rn. 1308, der seinerseits auf den genannten Beschluss des Landgerichts Wiesbaden Bezug nimmt) macht der Kläger geltend, selbst wenn das Antragsrecht nicht selbständig gepfändet werden könne, dürfe dieses Recht mit der Pfändung des Rechts, zu dem es gehöre, vom Gläubiger ausgeübt werden. Begründet wird diese Auffassung damit, dass auf Sozialleistungen grundsätzlich ein klagbarer Anspruch bestehe (§ 38 SGB I), den der Gläubiger nach Überweisung im eigenen Namen geltend machen könne.
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So: LG Wiesbaden, Beschluss vom 18. Juli 1995 – 4 T 205/95 –, NJW-RR 1996, 59; Stöber, Forderungspfändung, 15. Auflage 2010, Rn. 1308. |
Der Antrag auf Leistung entstandener (§ 40 SGB I) Sozialleistungen, auf die ein Anspruch bestehe, sei kein Gestaltungsrecht.
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So: Stöber, Forderungspfändung, 15. Auflage 2010, Rn. 1308. |
Daraus schließt der Kläger, dass der Insolvenzverwalter nach der ihm zustehenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Sinne des § 80 Abs. 1 InsO berechtigt sei, den Antrag auf Auszahlung der vorzeitigen Altersrente zu stellen.
Bei diesen Ausführungen der vom Kläger herangezogenen Rechtsprechung und Literatur zu bereits entstandenen Leistungsansprüchen bleibt aber letztlich unklar, ob sie sich lediglich auf solche Ansprüche beziehen, bei denen eine Gestaltungsmöglichkeit des Anspruchsinhabers nur noch im Hinblick auf die Frage besteht, ob er sein Antragsrecht ausübt, oder auch auf solche, bei denen sich für den Anspruchsinhaber noch darüber hinausgehende Fragen stellen, deren Beantwortung sich auf den Anspruch unmittelbar auswirkt. In der Rechtsprechung wird dazu vertreten, dass die Frage einer Abtretbarkeit oder Pfändbarkeit eines Antragsrechts ernsthaft nur dann diskutiert werde, wenn es sich bei diesem um eine rein formelle Voraussetzung für den Bezug von Leistungen handele.
Jedenfalls dann, wenn – wie hier – mit der Ausübung des Antragsrechts nicht nur (rein formell) der bereits entstandene Anspruch auf eine Versorgungsleistung geltend gemacht wird, sondern damit weitere Konsequenzen für den Insolvenzschuldner verbunden sind, ist der Insolvenzverwalter nicht berechtigt, das Antragsrecht auszuüben. Die hier beantragte Versorgungsleistung dient der Lebensunterhaltssicherung des Mitglieds der Versorgungseinrichtung im Alter durch monatliche Dauerleistungen. Werden Leistungen der Altersrente bereits vor Eintritt der Regelaltersgrenze beantragt, wirkt sich dies auf ...