Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwaltungsvollstreckung. Vollstreckungsvoraussetzungen. Forderungspfändung. Pfändungs- und Überweisungsverfügung. Pfändungsverbot. Vollstreckungsbehörde. Pfändungsschutz. vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung. Anwendbarkeit des § 850f Abs. 2 ZPO bei der Pfändung einer Geldforderung gem. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVG NRW
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW ist bei der Pfändung einer Geldforderung § 850f Abs. 2 ZPO anwendbar. § 48 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW steht dem nicht entgegen.
Normenkette
VwVG NRW § 48 Abs. 1 S. 1; VwVG NRW § 48 Abs. 1 S. 3; ZPO §§ 850c, 850f Abs. 2
Verfahrensgang
VG Düsseldorf (Aktenzeichen 26 K 816/11) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf die Wertstufe bis 2.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der am 22. Dezember 1946 geborene Kläger war ehemals Beamter der beklagten Stadt, aus deren Dienst er ausgeschieden ist. Seit Januar 2001 ist er als Kaufmännischer Angestellter bei der Fa. B.-T. GmbH (im Folgenden: B. GmbH) beschäftigt.
Mit bestandskräftigen Leistungsbescheiden vom 27. Februar 1990 und vom 10. Mai 1990 zog die Beklagte den Kläger gestützt auf § 84 Abs. 1 LBG NRW a.F. zum Ersatz des Schadens heran, den ihr der Kläger durch fingierte Lieferverträge und Veruntreuung von städtischen Geldern zugefügt hatte, und forderte von ihm die Zahlung von 250.000,00 DM (= 127.822,97 EUR) und 1.201.768,56 DM (= 614.454,47 EUR). In einem am 16. Januar 1996 abgeschlossenen Vertrag trat der Kläger zur Sicherung aller Ansprüche der Beklagten aus diesen Leistungsbescheiden den jeweils pfändbaren Teil seiner gegenwärtigen und zukünftigen Gehaltsforderungen gegen seinen jeweiligen Arbeitgeber an die Beklagte ab. Kläger und Beklagte vereinbarten, dass die Abtretung solange bestehen bleibe, bis die Beklagte schriftlich bestätige, dass sie aus der Abtretung keine Rechte mehr herleite.
Durch Pfändungsverfügung vom 28. Februar 1991 pfändete die Stadtkasse der Beklagen den künftigen gegenüber der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zustehenden Rentenanspruch des Klägers „ohne Rücksicht auf § 850c ZPO… gem. § 850f Abs. 2 ZPO”. Die Verfügung wurde der Drittschuldnerin am 4. März 1991 zugestellt. Dem Kläger wurde am 28. Mai 1991 eine Durchschrift der Verfügung zugestellt.
Durch Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 5. Dezember 2003 pfändete die Stadtkasse der Beklagten alle Forderungen des Klägers aus Arbeits- und Dienstleistungen gegen die B. GmbH als Drittschuldnerin in Höhe von 704.957,66 EUR. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus einer Restforderung von 697.925,91 EUR zuzüglich Vollstreckungsgebühren und Auslagen. Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung wurde der Drittschuldnerin am 6. Dezember 2003 und die für ihn bestimmte Ausfertigung dem Kläger am 11. Dezember 2003 zugestellt.
Mit am 9. Dezember 2003 eingegangener Drittschuldnererklärung erkannte die B. GmbH die Pfändung an und erklärte die Bereitschaft, Zahlungen zu leisten, soweit pfändbare Lohnforderungen bestünden und keine vorrangigen Gegenforderungen auf den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens bestünden. Zugleich wies sie darauf hin, dass die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet worden sei.
Am 16. Juli 2004 wurde gegenüber dem Kläger das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, in dessen Verlauf die Forderung von der Beklagten als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung angemeldet und vom Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren anerkannt wurde. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, in dem auf die Forderung der Beklagten eine Quote von 0,31% entfiel, wurde dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt.
Unter Bezugnahme auf § 302 InsO, wonach die Forderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen sei, meldete die Beklage gegenüber der B. GmbH und der Deutschen Rentenversicherung Bund ihre Restforderung in Höhe von 704.099,69 EUR an. Während die Deutsche Rentenversicherung mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 mitteilte, dass sie keine Zahlungen leisten könne, weil sie dem Kläger (noch) keine Leistungen gewähre, überließ die B. GmbH der Beklagten die Lohn- und Gehaltsunterlagen der letzten drei Monate.
Mit einem dem Kläger am 12. Januar 2011 zugestellten Bescheid vom 10. Januar 2011, der einen zuvor ergangenen Bescheid vom 7. Januar 2011 berichtigte und ersetzte, setzte die Stadtkasse der Beklagten unter Bezugnahme auf die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 5. Dezember 2003 und unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenze gemäß § 850c ZPO einen pfändbaren Betrag in Höhe von monatlich 143,40 EUR fest. Nachdem die B. Gm...