Leitsatz (amtlich)

Das Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen eine dienstliche Beurteilung entfällt nicht dadurch, dass der Beamte zwischenzeitlich befördert und erneut beurteilt worden ist (im Anschluss an BVerwG, Urteil v. 19.12.2002 – 2 C 31.01 –).

Die Beurteilungsrichtlinien für die Polizeibeamten des Landes NRW vom 25.1.1996 finden auch auf Beamte besonderer Fachrichtung Anwendung.

 

Verfahrensgang

VG Düsseldorf (Aktenzeichen 2 K 5008/98)

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Beamter besonderer Fachrichtung im höheren Dienst des beklagten Landes, ist im Landeskriminalamt eingesetzt. Er wandte sich mit seinem Widerspruch gegen eine dienstliche Beurteilung u.a. mit der Begründung, die Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes NRW vom 25.1.1996 seien nur für Polizei- und Verwaltungsbeamte, nicht jedoch für Beamte besonderer Fachrichtung anwendbar. Für ihn seien die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamten im Geschäftsbereich des Innenministeriums vom 9.11.1995 einschlägig. Später wurde für den Kläger eine weitere Regelbeurteilung erstellt, gegen die er ebenfalls Widerspruch einlegte. Nach Zurückweisung der Widersprüche erhob er Klage, die das VG als unzulässig abwies. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei nach der zweiten Beurteilung befördert worden. Deshalb fehle es an einem Rechtsschutzinteresse. Die angegriffenen Beurteilungen seien verbraucht, zumal das beklagte Land erklärt habe, die Beurteilungen bei zukünftigen Beförderungsentscheidungen nicht mehr heranzuziehen. Die vom OVG zugelassene Berufung hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

1.) Die Klage ist allerdings zulässig. Es fehlt nicht deshalb an einem Rechtsschutzinteresse, weil der Kläger nach dem von den streitigen Beurteilungen erfassten Beurteilungszeitraum zum Oberregierungsrat befördert worden ist, mittlerweile eine neue Regelbeurteilung erhalten hat und das beklagte Land erklärt hat, dass die streitigen Beurteilungen nicht als Grundlage für weitere Beförderungsentscheidungen herangezogen würden.

Zweck einer dienstlichen Beurteilung ist es, die Grundlage für am Leistungsprinzip orientierte Personalentscheidungen des Dienstherrn zu bilden. Dieser Zweck – und damit auch das Rechtsschutzinteresse für die gegen eine Beurteilung gerichtete Klage – entfällt mit dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand, mit der bestandskräftigen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis und wenn der Beamte im Hinblick auf § 10 Abs. 2 c der Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande NRW bis zum Eintritt in den Ruhestand nicht mehr befördert werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.2002 – 2 C 31.01 –, NVwZ 2003, 1398, OVG NRW, Beschluss vom 30.4.1999 – 6 A 1233/97 –.

Ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch dann für möglich gehalten, wenn der Beamte nach dem Beurteilungsstichtag befördert worden war und es nach der Verwaltungspraxis bzw. den einschlägigen Beurteilungsrichtlinien für eine weitere Beförderung auf die streitige Beurteilung nicht mehr ankam

– vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.12.1993

– 1 A 760/91 –, NWVBl. 1994, 310; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 19.1.2001 – 2 A 11320/00 –, RiA 2001, 258 –

oder wenn der Dienstherr bindend erklärt hatte, die Beurteilung sei – etwa weil sie auf der Grundlage von nicht mehr gültigen Beurteilungsrichtlinien erstellt worden war – verbraucht und werde bei zukünftigen Personalentscheidungen nicht mehr berücksichtigt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.4.1999

– 6 A 1233/97 –.

In seiner jüngsten Rechtsprechung hat das BVerwG

Urteile vom 19.12.2002 – 2 C 31.01 –, a. a. O., vom 27.2.2003 – 2 C 16.02 –, NVwZ 2003, 1397 [1398], und vom 21.8.2003 – 2 C 14.02

demgegenüber eine solche Dispositionsbefugnis des Dienstherrn in Bezug auf frühere Beurteilungen verworfen: Die rechtliche Zweckbestimmung einer dienstlichen Beurteilung, Auswahlgrundlage für künftige Personalentscheidungen zu sein, und damit auch das Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen die Beurteilung entfalle nicht allein dadurch, dass der Beamte erneut beurteilt und (oder) befördert worden sei. Von Rechts wegen blieben frühere dienstliche Beurteilungen auch nach einer Beförderung für künftige Verwendungs- und Auswahlentscheidungen von Belang. Daran könne auch eine anderslautende Erklärung des Dienstherrn nichts ändern. Für Auswahlentscheidungen seien zwar in erster Linie aktuelle Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen Leistungsstand wiedergäben. Ältere dienstliche Beurteilungen könnten aber daneben als zusätzliche Erkenntnismittel berücksichtigt werden. Zwar verhielten sie sich nach einer Beförderung nicht zu dem nunmehr erreichtem Leistungsstand im neuen statusrechtlichen Amt. Gleichwohl könnten sie vor allem bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Ihre zusätzliche Berücksichtigung bei der Auswahl sei deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG geboten, wenn eine Stichentschei...

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