Leitsatz (amtlich)
1. Der räumliche Geltungsbereich einer gemeindlichen Baumschutzsatzung kann zulässigerweise mit den Worten „innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs von Bebauungsplänen” umschrieben werden.
2. § 13 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG und § 45 LG NW lassen flächendeckenden generellen Baumschutz innerhalb der bebauten und beplanten Gebiete einer Gemeinde zu.
3. Flächendeckender genereller Baumschutz ist mit Art. 14 GG vereinbar, da die den jeweiligen Eigentümer treffenden Belastungen bei der Entscheidung über Ausnahmen und Befreiungen von den Verboten der Baumschutzsatzung individuell berücksichtigt werden können.
4. Zu den Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Fällen eines Baumes wegen einer von dem Baum ausgehenden Gefahr.
Normenkette
GG Art. 14; BNatSchG § 18 Abs. 1 S. 2; LG NW § 45
Verfahrensgang
VG Gelsenkirchen (Aktenzeichen 10 K 2379/90) |
Tenor
Der Kläger möchte eine Linde fällen bzw. zurückschneiden, die auf seinem Grundstück in D. steht und von der Satzung zum Schutz des Baumbestandes in der Stadt D. vom 30.5.1988 (Baumschutzsatzung) erfaßt wird. Nachdem dem Kläger gestattet worden war, das Kronenvolumen der Linde durch Rückschnitt bis in den Grobastbereich um 30% zu reduzieren, beantragte er beim Beklagte eine Genehmigung zum Fällen des Baumes bzw. zum Rückschnitt der Krone bis zum Stammansatz. Der Beklagte lehnte den Antrag ab und wies auch den Widerspruch des Klägers zurück. Auf Antrag des Klägers stellte das VG fest, daß der Kläger keiner Genehmigung zum Fällen der Linde bedürfe. Es führte aus, die Baumschutzsatzung sei unwirksam, weil sie ihren räumlichen Geltungsbereich nicht hinreichend bestimmt festlege. Das OVG wies die Berufung des Beklagten zurück und änderte das Urteil des VG auf die Anschlußberufung des Klägers dahin, daß der Beklagte verpflichtet wurde, die Genehmigung zum Fällen der Linde zu erteilen.
Gründe
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die auch ohne Wahrung der Frist des § 124 Abs. 2 VwGO zulässige Anschlußberufung des Klägers ist hingegen insoweit begründet, als der im Verfahren I. Instanz lediglich als weiterer Hilfsantrag gestellte Feststellungsantrag, dem das VG entsprochen hat, zwar unbegründet, dem im Verfahren I. Instanz als Hauptantrag gestellten und dort abgewiesenen umfassenden Verpflichtungsantrag jedoch stattzugeben ist.
Der logisch vorrangige und demgemäß vom Kläger im Berufungsverfahren als Hauptantrag verfolgte Feststellungsantrag ist unbegründet, weil der Kläger für das Fällen der strittigen Linde einer Genehmigung nach der Baumschutzsatzung der Stadt D. bedarf. Die Baumschutzsatzung ist entgegen der Auffassung des VG wirksam. Die strittige Linde unterliegt auch den Regelungen der Satzung, insbesondere dem Verbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 der Satzung, den Baum ohne Ausnahme oder Befreiung nach § 6 der Satzung entfernen zu dürfen.
In formeller Hinsicht begegnet die Baumschutzsatzung keinen Bedenken. (wird ausgeführt)
Auch in materieller Hinsicht liegen keine Mängel vor, die dazu führen, daß die Satzung insgesamt bzw. hinsichtlich der hier interessierenden Regelungen unwirksam ist. Ob ggf. einzelne, im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserhebliche Bestimmungen der Satzung für sich genommen unwirksam sind, kann dahinstehen und braucht daher nicht näher geprüft zu werden.
Die Satzung ist von einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage gedeckt.
Sie beruht auf § 45 des Landschaftsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.6.1980 (GV NW S. 734) – LG NW –. Nach dieser Vorschrift können die Gemeinden durch Satzung den Schutz des Baumbestands innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne regeln.
Diese landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage beruht ihrerseits auf der bundesrechtlichen Rahmenregelung des § 18 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG vom 20.12.1976 (BGBl I 3574), nach der sich bei geschützten Landschaftsbestandteilen der Schutz „in bestimmten Gebieten auf den gesamten Bestand an Bäumen, Hecken oder anderen Landschaftsbestandteilen erstrecken” kann. § 18 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG läßt es damit zu, in räumlich abgegrenzten Bereichen flächendeckend den gesamten, nicht individuell erfaßten Baumbestand unter Schutz zu stellen. Die Vorschrift gibt lediglich vor, daß die Gebiete, in denen der Baumbestand generell geschützt wird, „bestimmt” sein müssen. Sie müssen mithin so umschrieben sein, daß der räumliche Umfang dieser Schutzgebiete abgegrenzt und näher festgelegt ist. Des weiteren schränkt § 45 LG NW die Befugnis der Gemeinden, flächendeckenden Baumschutz in bestimmten Gebieten anzuordnen, dahin ein, daß der Baumbestand außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und der Geltungsbereiche von Bebauungsplänen keinem generellen Schutz unterworfen werden darf.
Beiden Vorgaben wird die strittige Baumschutzsatzung gerecht. Sie beschränkt sich auf die in § 45 LG NW genannten für eine Satzung offenen Bereiche. Dabei erfaßt sie – wie aus dem Nachste...