Entscheidungsstichwort (Thema)
Baurecht
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bewertung von Lärmbeeinträchtigungen, die von Windenergieanlagen ausgehen, kann keine für alle Fälle gültige Formel angewendet werden. Die Entscheidung der Frage, ob das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, setzt stets eine Bewertung der besonderen Umstände des Einzelfalles voraus.
2. Bei der Frage, welche Lärmimmissionen einem Nachbarn noch zuzumuten sind, ist auf die TA-Lärm als Anhaltspunkt zurückzugreifen.
3. Im Hinblick auf die Bewertung der Auswirkung durch Schattenwurf kann bei der rechtlichen Bewertung als Anhaltspunkt für die Zumutbarkeit dienen, daß Benutzer von Wohn- und Büroräumen an einem sonnigen Tag nicht länger als 30 Minuten je Tag und nach der statistischen Wahrscheinlichkeit maximal 30 Stunden im Jahr durch Schattenwurf beeinträchtigt werden. Dabei ist aber auch die Schattenintensität, die mit zunehmender Entfernung abnimmt, zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
VG Schwerin (Beschluss vom 12.06.1998; Aktenzeichen 2 B 217/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 12. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,– DM je Instanz festgesetzt; insoweit wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 12. Juni 1998 geändert.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Ausbau 6 in B.. Er wendet sich gegen sechs Windkraftanlagen, die südwestlich von seinem Grundstück auf den Grundstücken Gemarkung B., Flur 1, Flurstücke 22, 25/1 und 25/2, errichtet worden sind. Im Entwurf des Flächennutzungsplanes der Gemeinde J. ist die Fläche, auf der die Windkraftanlagen errichtet worden sind, als Sondergebiet Windpark ausgewiesen. Die Anlagen vom Typ Nordex N-54 haben eine Nabenhöhe von jeweils 60 m, eine Gesamthöhe von 87 m und eine Leistung von je 1.000 kW.
Unter dem 13.08.1997 erteilte der Antragsgegner den Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung von sechs Windkraftanlagen des Typs Nordex 54. Der Baugenehmigung war u.a. die Auflage beigefügt, daß Geräuschimmissionen von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) an der nächstgelegenen Wohnbebauung nicht zu überschreiten sind.
Der von den Beigeladenen nachgereichten Berechnung der Schallausbreitung der W.-C. vom 01.09.1997 zufolge werden die in der Baugenehmigung genannten höchstzulässigen dB(A)-Werte eingehalten. Es sei maximal mit einem Pegel von 44 dB(A), bezüglich des Wohnhauses des Antragstellers von 42 dB(A) zu rechnen.
Mit Schreiben vom 10.09.1997 erhob der Antragsteller, dessen Grundstück ca. 370 m von der am nächsten gelegenen Windkraftanlage (Anlage Nr. 6) entfernt liegt, Widerspruch. Er verwies darauf, daß von den Windkraftanlagen für ihn und seinen Nachbarn unzumutbare Belästigungen ausgingen. Der Antragsteller führte gutachterliche Stellungnahmen des Dipl.-Ing. (FH) N. ein.
Durch Widerspruchsbescheid vom 26.01.1998 wies der Beklagte den Widerspruch des Antragstellers als zulässig, aber unbegründet zurück. Der Antragsgegner verwies darauf, daß sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB richte. Auch das Wohnhaus des Antragstellers befinde sich im Außenbereich. Sowohl aus einer Schallimmissionsprognose als auch aus der Berechnung der Schallausbreitung der Firma W.-C. gehe hervor, daß die für den Außenbereich zulässigen Schwellenwerte nicht überschritten würden, so daß keine rücksichtslosen Geräuschbelästigungen zu erwarten seien.
Am 27.02.1998 hat der Antragsteller Klage zur Hauptsache erhoben (Az. 2 A 606/98), über die noch nicht entschieden ist, und zugleich um die Gewährung vorläufigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht.
Der Antragsteller hat geltend gemacht, er werde durch die Windkraftanlagen in seinen Grundrechten aus Art. 2 und 14 GG beeinträchtigt. Die Baugenehmigung verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Für sein Wohnhaus seien die für Wohngebiete gültigen Immissionsrichtwerte maßgebend. Er fühle sich nicht nur durch Lärmimmissionen, sondern auch durch Schattenwurf beeinträchtigt.
Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten. Er hat dargelegt, daß das Wohnhaus des Antragstellers eines von sieben Einzelgehöften im Außenbereich sei, das lediglich Bestandschutz genieße.
Die Beigeladenen haben die Baugenehmigung verteidigt und daraufhingewiesen, daß die Lärmimmissionen für den Antragsteller maximal 42 dB(A) betrügen. Das Wohnhaus des Antragstellers sei kein privilegiertes Vorhaben im Außenbereich. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt.
Durch Beschluß vom 12.06.1998 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Es hat dabei offengelassen, ob der Widerspruch des Antragstellers zulässig sei, oder ob vom Antragsteller nur ein unzulässiger Popularwiderspruch für eine Bürgerinitiative erhoben worden sei. Der Eilantrag sei jedenfalls deshal...