Leitsatz
Im Wohnraummietverhältnis kann ein Beseitigungsanspruch nicht auf § 1004 BGB, sondern allein auf § 541 BGB gestützt werden.
Normenkette
BGB § 541
Kommentar
Der Vermieter hatte die Wohnung mit einem Breitbandkabelanschluss ausgerüstet und im Anschluss hieran die Mieterin aufgefordert, eine auf der Balkonbrüstung befestigte Parabolantenne zu entfernen. Da die Mieterin hierauf nicht reagierte, hat der Vermieter Klage auf Beseitigung der Parabolantenne erhoben. Nunmehr stellte sich heraus, dass die Mieterin seit geraumer Zeit geschäftsunfähig war und dass das Vormundschaftsgericht aus diesem Grund eine Betreuung angeordnet hatte. Die Betreuerin hat die Parabolantenne beseitigt. Die Parteien haben die Hauptsache daraufhin für erledigt erklärt. Der BGH hatte zu entscheiden, wer von den Parteien die Verfahrenskosten tragen muss.
Die Entscheidung hängt in Fällen dieser Art davon ab, ob der klagende Vermieter ohne die Erledigung obsiegt hätte. Das Problem ergibt sich vorliegend aus dem Wortlaut des § 541 BGB. Danach kann der Vermieter auf Entfernung der Parabolantenne klagen, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: Zum einen muss der Mieter verpflichtet sein, die Parabolantenne zu entfernen. Zum anderen ist erforderlich, dass der Mieter vor der Klagerhebung abgemahnt und zur Entfernung der Antenne aufgefordert wird.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Mieter Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Installation einer Parabolantenne hat, wenn das Haus weder über einen Kabelanschluss noch über eine Gemeinschaftsantenne verfügt (Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, § 535 BGB Rdn. 419 m. w. N.). Hat der Mieter die Parabolantenne zu einem Zeitpunkt angebracht, zu dem ein Kabelanschluss weder bestand noch geplant war und wird die Wohnung in der Folgezeit an das Kabelnetz angeschlossen, ist hinsichtlich des Beseitigungsanspruchs zu unterscheiden: Hatte der Vermieter die Erlaubnis zur Anbringung der Antenne erteilt oder ist er zur Erlaubniserteilung oder Duldung der Antenne verurteilt worden, so wurde der vertragsgemäße Gebrauch des Mieters erweitert. Eine solche Vertragserweiterung kann nicht einseitig widerrufen werden (a. A.: AG Arnsberg, DWW 1995, 317). Etwas anderes gilt, wenn die Erlaubnis unter dem Vorbehalt des Widerrufs aus wichtigem Grund erteilt worden ist; als wichtiger Grund ist auch der Anschluss der Wohnung an das Kabelnetz anzusehen. Wurde die Antenne demgegenüber ohne Erlaubnis angebracht, liegt eine Vertragswidrigkeit vor, sodass der Vermieter die Beseitigung der Antenne verlangen kann (LG Gera, WuM 1994, 523). In dem zur Entscheidung stehenden Fall spielten diese Gesichtspunkte keine Rolle, weil sich die Parteien darin einig waren, dass die Mieterin zur Entfernung der Antenne verpflichtet war.
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 541 BGB setzt die Beseitigungsklage voraus, dass der Mieter den vertragswidrigen Gebrauch "trotz einer Abmahnung" fortsetzt. Ist der Mieter geschäftsunfähig, so muss die Abmahnung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter des Mieters erfolgen. Diese Voraussetzung war nicht gegeben, weil die Abmahnung zwar der Mieterin, nicht aber deren Betreuerin zugegangen ist.
Ist der Vermieter der Wohnung zugleich Eigentümer des Hauses, stellt sich die Frage, ob sich der Beseitigungsanspruch auch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter-Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Eine vorherige Abmahnung ist nach dieser Vorschrift nicht erforderlich. In der Literatur ist allerdings streitig, ob § 1004 neben § 541 BGB anwendbar ist (so z. B. Emmerich in: Staudinger, § 541 BGB Rdn. 1 m. w. N.) oder ob § 1004 BGB durch § 541 BGB verdrängt wird (so Mittelstein, S. 374 FN 8; Blank in: Schmidt-Futterer, § 541 BGB Rdn. 2). Die obergerichtliche Rechtsprechung hatte die Streitfrage bisher noch nicht entschieden. Das in der Literatur zitierte Urteil des Reichsgerichts vom 11.7.1925 (JR 1925, 1087; RG Nr. 1513) betrifft das Verhältnis der Eigentumsfreiheitsklage (§ 1004 BGB) zur Räumungsklage. In dem Urteil vom 26.6.1974 (VIII ZR 43/73) hat der BGH lediglich ausgeführt, dass eine bauliche Veränderung "unter dem Gesichtspunkt des vertragswidrigen Gebrauchs und der Eigentumsbeeinträchtigung Unterlassungsansprüche gemäß §§ 550 ... 1004 BGB" auslösen kann. Das Verhältnis des § 550 BGB a. F. (= § 541 BGB n. F.) zu § 1004 BGB wurde in dieser Entscheidung nicht behandelt.
In der vorliegenden Entscheidung stellt der BGH klar, dass § 1004 BGB durch § 541 BGB verdrängt wird. Er begründet dies mit der Erwägung, dass die Regelung des § 541 BGB mieterschützenden Charakter hat. Dem Mieter soll durch die Abmahnung eine letzte Gelegenheit zum vertragstreuen Verhalten gegeben werden.
Der Vorrang des § 541 BGB gegenüber § 1004 BGB kann allerdings auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift abgeleitet werden. Nach der ursprünglichen Konzeption des BGB war die Mietsache in demselben Zustand zurückzugeben, in welchem sie dem Mieter übergeben wurde ...