Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, Art. 5 GG, Art. 6 GG
Kommentar
1. Der Eigentümer einer Wohnung im 1. OG stammt aus Tunesien, lebt jedoch schon seit 1968 in Deutschland und hat im Mai 1993 die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen; er ist verheiratet und Vater eines Kindes, seine Ehefrau ist noch tunesische Staatsangehörige; sie lebt seit November 1992 in Deutschland.
Das Haus ist verkabelt. Im März 1993 ließ dieser Eigentümer auf der Balkonbrüstung seiner Wohnung eine Parabolantenne mit einem Durchmesser von 80 bis 90 cm installieren, um tunesische, marokkanische, ägyptische und saudi-arabische Fernseh- und Rundfunksender empfangen zu können. Die Gemeinschaft lehnte mehrheitlich die Genehmigung der Anbringung einer Parabolantenne auf dem Balkon der Wohnung dieses Eigentümers ab. Auf entsprechende Beschlussanfechtung hin wurde das Begehren des Eigentümers in allen drei Instanzen zurückgewiesen.
2. Die an der Außenwand der Loggia befestigte Antenne verändert jedenfalls das architektonisch/ästhetische Aussehen der gesamten Wohnanlage; die deutlich sichtbar angebrachte Antenne stellt eine optische Veränderung der Außenfassade dar, die störend wirkt und den Gesamteindruck nicht unerheblich beeinträchtigt (wie dies auch von den Tatsacheninstanzen rechtsfehlerfrei und für das Rechtsbeschwerdegericht bindend festgestellt wurde). Insoweit besteht auch keine Duldungsverpflichtung der restlichen Eigentümer unter Beachtung gebotener Güter- und Interessenabwägung, die keinen Vorrang des Grundrechts des Antragstellers und seiner Familie auf Informationsfreiheit gegenüber den Rechten der übrigen Wohnungseigentümer aufgrund allgemeiner Vorschriften ergibt. Allerdings steht der Umstand, dass der Antragsteller seit 1993 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, nicht schon seinem lnformationsbedürfnis im Hinblick auf erbetene ausländische Programme und Sender entgegen. Auch nach Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft kann der Antragsteller ein Informationsinteresse hinsichtlich seines früheren Heimatlandes haben. Dies gilt um so mehr, als seine Ehefrau und sein Kind - noch - tunesische Staatsangehörige sind und in erheblichem Maße ebenso wie der Antragsteller selbst daran interessiert sind, Programme des Heimatlandes oder zumindest benachbarter Länder mit gleicher Religion und Kultur zu empfangen, um die Verbindungen in kultureller, sprachlicher und religiöser Hinsicht nicht zu verlieren. Mit Rücksicht auf Art. 6 GG ist auch insoweit ein Informationsinteresse des Antragstellers zu bejahen.
Ungeachtet des Umstandes, dass über das vorhandene Breitbandkabel lediglich ein türkischer und ein italienischer Sender als einzige ausländische Sender neben einer Vielzahldeutschsprachiger Programme empfangen werden können, und die spezifischen Interessen des Antragstellers daran, tunesische Fernsehsendungen zu empfangen, von erheblicher Bedeutung sind, muss dieser Eigentümer sich hier der Beschränkung seines Grundrechtes unterwerfen; es erscheint nämlich gerechtfertigt, den der Anbringung der Parabolantenne entgegenstehenden Interessen der übrigen Wohnungseigentümer an einer Erhaltung des äußeren Erscheinungsbildes ihrer Eigentumswohnanlage wegen der ersichtlich erheblichen Bedeutung für die Wohnungseigentümer den Vorrang einzuräumen. Dies gilt um so mehr, als für den Antragsteller schon beim Erwerb seines Miteigentumsanteils und seines Sondereigentums aus der Teilungserklärung ersichtlich war, dass er an der äußeren Gestalt des Gebäudes keine Veränderungen vornehmen durfte; dies hat er mit dem Erwerb auch akzeptiert. Wird dieser Gedanke, der in § 22 WEG seinen Niederschlag gefunden hat, in der Teilungserklärung des betreffenden Objektes ausdrücklich angesprochen, so ergibt sich für den einzelnen Wohnungseigentümer bereits aus dem Gemeinschaftsverhältnis unter Berücksichtigung von Treu und Glauben die Verpflichtung, die insoweit getroffene Regelung zu beachten.
Vorsorglich ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Entscheidung die Frage betrifft, ob der beteiligte Antragsteller die Parabolantenne auf seiner Loggia anbringen darf; ob Miteigentümer eine Antenne dulden müssten, wenn diese an anderer Stelle der Wohnanlage angebracht würde, sei nicht Gegenstand dieser Entscheidung (insoweit sei auf den Senatsbeschluss vom 2. 12. 1992, NJW 1993, 1274 verwiesen).
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Beschwerdewertansatz von 5.000 DM.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.10.1994, 3 Wx 492/94)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Zumindest in Teilen der Begründung weicht diese Entscheidung von der des BayObLG, Entscheidung v. 28. 10. 1994, Az.: 2Z BR 77/94ab, da wohl das OLG Düsseldorf entgegen der Meinung des BayObLG nicht entscheidend auf die Frage einer Einbürgerung abstellen will, sondern (wie ich meine zu Recht) keinen Vorrang des Grundrechts auf Informationsfreiheit gegenüber den Rechten der übrigen Eigentümer (zu ergänzen: auf grundsätzlich nicht nachteilige Verän...