Rz. 111
Die elterliche Gewalt (Art. 92–112 FVGB) umfasst die Personensorge, die Vermögenssorge und die gesetzliche Vertretung des Kindes (Art. 95 § 1 FVGB). Sie wird ausgeübt, bis das Kind volljährig geworden ist (Art. 92 FVGB). Die elterliche Gewalt wird von beiden Elternteilen ausgeübt (Art. 93 § 1 FVGB). Ist einer der Elternteile gestorben oder ist er in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt, so wird die elterliche Gewalt von dem anderen Elternteil ausgeübt. Gleiches gilt, wenn einem der Eltern die elterliche Gewalt entzogen oder die Befugnis zu seiner Ausübung ausgesetzt wird (Art. 94 § 1 FVGB). Steht die elterliche Gewalt keinem der Eltern zu oder sind die Eltern unbekannt, so wird eine Vormundschaft angeordnet (Art. 94 § 3 FVGB). Ein jeder Elternteil kann die elterliche Gewalt allein ausüben (Art. 97 § 1 FVGB), sofern es sich nicht um eine wesentliche Angelegenheit handelt, über die Eltern gemeinsam entscheiden; kommt kein Einverständnis zwischen den Eltern zustande, entscheidet das Vormundschaftsgericht (Art. 97 § 2 FVGB). Im Außenverhältnis ist jeder Elternteil allein zur Vertretung des Kindes berechtigt (Art. 98 § 2 FVGB). Ein Vertretungshindernis besteht in den in Art. 98 § 2 FVGB genannten Fällen. Im Bereich der Vermögensverwaltung bedürfen Rechtshandlungen, welche den Rahmen der üblichen Verwaltung überschreiten der Zustimmung des Vormundschaftsgerichts. Die vormundschaftsgerichtliche Zustimmung muss vor der Vornahme des Rechtsgeschäfts erteilt werden, ansonsten ist das Rechtsgeschäft unheilbar unwirksam.
Rz. 112
Bei Getrenntleben kann das Vormundschaftsgericht die Ausübung der elterlichen Gewalt einem Elternteil übertragen (Art. 107 § 2 FVGB). Bei einer Ehescheidung hat das Gericht von Amts wegen über die elterliche Sorge zu entscheiden (Art. 58 § 1 FVGB). Dabei hat das Gericht jedoch die Vereinbarung der Eltern über die Art und Weise der Ausübung der elterlichen Gewalt und der Aufrechterhaltung der Beziehungen zum Kind nach der Ehescheidung zu berücksichtigen, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht (Art. 58 § 1 S. 2 FVGB). Das Gericht kann die elterliche Sorge
▪ |
beiden Elternteilen auf ihren gemeinsamen Antrag belassen, wenn sie eine Vereinbarung im Sinne des Art. 58 § 1 S. 2 FVGB getroffen haben und die begründete Erwartung besteht, dass sie in Angelegenheiten des Kindes zusammenarbeiten werden (Art. 58 § 1a S. 2 FVGB); |
▪ |
sie einem Elternteil unter gleichzeitiger Beschränkung der elterlichen Sorge des anderen Elternteils auf bestimmte Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind übertragen (Art. 58 § 1a S. 1 FVGB); |
▪ |
einem oder beiden Elternteilen entziehen (Art. 111 § 1, Art. 112 FVGB); oder |
▪ |
das Ruhen ("Aussetzung") der elterlichen Sorge eines Elternteils oder beider Eltern anordnen (Art. 110, Art. 112 FVGB). |
Rz. 113
Im Interesse des Kindes kann das Vormundschaftsgericht bei veränderten Umständen die im Scheidungsurteil ausgesprochene Regelung der elterlichen Gewalt und die Form der Ausübung nachträglich ändern (Art. 106 FVGB).