Gesetzestext

 

(1) Die Übermittlungsstelle, welcher der Antragsteller das Schriftstück zum Zweck der Übermittlung übergibt, setzt den Antragsteller davon in Kenntnis, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn es nicht in einer der in Artikel 12 Absatz 1 bestimmten Sprachen abgefasst ist.

(2) Der Antragsteller trägt etwaige vor der Übermittlung des Schriftstücks anfallende Übersetzungskosten unbeschadet etwaiger späterer Kostenentscheidungen des zuständigen Gerichts oder der zuständigen Behörde.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt eine der wesentlichen Besonderheiten der EuZVO: Sie verlangt keine Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke, und zwar auch dann nicht, wenn der Empfänger die Sprache der Schriftstücke nicht beherrscht (BGH NJW 21, 1598 [BGH 25.02.2021 - IX ZR 156/19] Rz 34 m Anm Fabig/Windau). Dadurch sollen grenzüberschreitende Zustellungen beschleunigt und Übersetzungskosten minimiert werden (s nur Gebauer/Wiedmann/Sujecki Rz 1). Ob die zuzustellenden Schriftstücke übersetzt werden bzw eine Übersetzung beigefügt wird, stellt die EuZVO im Anwendungsbereich des Art 9 (s Rn 2) zur Disposition der Parteien (EuGH NJW 22, 2461 Rz 37 f m Anm Fabig/Windau, vgl Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti NJW 03, 1998, 2000); der Antragsteller kann entscheiden, ob er mit oder ohne Übersetzung zustellen will; der Empfänger wird ausreichend dadurch geschützt, dass er bei fehlenden Sprachkenntnissen gem Art 12 EuZVO die Annahme eines nicht übersetzten Schriftstücks verweigern kann (s dazu ausf Art 12 Rn 3 ff). Der Antragsteller ist deshalb gem Abs 1 auf sein Wahlrecht hinzuweisen; lässt er Übersetzungen anfertigen, ist er gem Abs 2 für entstehende Kosten vorschusspflichtig.

 

Rn 2

Die Regelung geht von einer Zustellung auf Veranlassung einer Partei aus und ist daher neben Klage- und Antragsschriften zB auch auf Klageerweiterung, Streitverkündungen, Arreste und einstweilige Verfügungen und Mahnbescheide und Vollstreckungsbescheide anwendbar (vgl § 38 II 1 ZRHO). Bislang ungeklärt ist, ob das Wahlrecht auch für Zustellungen von Urteilen im EU-Ausland gilt. Dagegen spricht, dass in Abs 1 von Schriftstücken die Rede ist, die der Antragsteller ›zum Zweck der Übermittlung übergibt‹. Es spricht auch viel dafür, dass der Verordnung ausdrücklich zu entnehmen sein müsste, wenn der europäische Gesetzgeber auch insoweit vom internationalen Gewohnheitsrecht hätte abweichen wollen, wonach im Ausland grds mit Übersetzungen zuzustellen ist (vgl auch EuGH ECLI:EU:C:2022:427).

 

Rn 3

Die Regelung gilt auch für die weiteren in Abschn 2 geregelten Zustellungsarten, insb für die Zustellungen gem Art 18–20, vgl Art 12 VII. Auch in diesen Fällen ist der Antragsteller deshalb gem Abs 1 zu belehren (Gebauer/Wiedmann/Sujecki Rz 4). Zum Inhalt und Umfang der Belehrung s Rn 6.

 

Rn 4

Nach bislang ganz hM stellte die EuZVO keine formalen Anforderungen an die Qualität einer Übersetzung iSd Art 5, 8, insb musste diese nicht von einem öffentlich beeidigten Dolmetscher erstellt werden (s BGH NJW 21, 1598 m Anm Fabig/Windau; Gebauer/Wiedmann/Sujecki Rz 8). Der Antragsteller konnte daher die zuzustellenden Schriftstücke auch selbst übersetzen oder übersetzen lassen (BGH NJW 21, 1598 [BGH 25.02.2021 - IX ZR 156/19] Rz 28 m Anm Fabig/Windau; Zö/Geimer Art 8 Rz 2).

 

Rn 4a

Daran kann nach der Neufassung der VO nicht mehr festgehalten werden. Zwar verlangt die VO nicht ausdrücklich eine amtliche Übersetzung, wie dies noch im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen worden war. Erw 25 verlangt aber, dass die Übersetzung ›beglaubigt‹ sein ›oder auf andere Weise nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats als für das Verfahren geeignet befunden werden‹ soll. Dem dürfte eine vom Antragsteller selbst erstellte Übersetzung idR nicht genügen. Der Antragsteller kann also eine Zustellung ohne Übersetzung verlangen, er kann zur Beschleunigung selbst Übersetzungen eines öffentlich beeidigten Dolmetschers beibringen (wofür ihm ggf auch die mit den Schriftstücken zuzustellenden gerichtlichen Verfügungen zur Übersetzung zu überlassen sind) oder er kann das Gericht bitten, eine Übersetzung einzuholen. Die Neufassung wird den Antragsteller aber nicht daran hindern können, der Zustellung zunächst nur eine selbst erstellte Übersetzung beizufügen in der Erwartung, dass der Empfänger dies gegen sich gelten lässt und von einer Annahmeverweigerung absieht.

 

Rn 5

Wenn ein zuzustellendes Schriftstück aus mehreren Teildokumenten besteht, reicht es aus, wenn das Hauptdokument (zB die Klageschrift) in eine gem Art. 12 I zulässige Sprache übersetzt wird. Eine Übersetzung von Anlagen ist nicht erforderlich, wenn sich aus dem Hauptdokument der wesentliche Gegenstand des Verfahrens erschließt, dh die geltend gemachten Rechtsfolgen sowie die behaupteten tatsächlichen Vorgänge (EuGH NJW 08, 1721 Rz 73 = ECLI:EU:C:2008:264). Auch der Umfang der Übersetzung muss deshalb in konsequenter Anwendung des Abs 1 zur Disposition des Antragstellers stehen; in Zweifelsfällen erstreckt sich die Belehr...

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