Gesetzestext
(1) Sonstige Familiensachen sind Verfahren, die
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Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 des Bürgerlichen Gesetzbuches zwischen einer solchen und einer dritten Person, |
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aus der Ehe herrührenden Ansprüche, |
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Ansprüchen zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe, |
4. |
aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche oder |
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aus dem Umgangsrecht herrührende Ansprüche |
betreffen, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgericht gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a bis k der Zivilprozessordnung genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handelt.
(2) Sonstige Familiensachen sind auch Verfahren über einen Antrag nach § 1357 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 266 schafft die Grundlage des ›Großen Familiengerichts‹, dessen Zuständigkeit all jene Streitigkeiten erfassen soll, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen. Es genügt die Sachnähe (BGH Beschl v 5.12.12 – XII ZB 652/11, openJur 13, 96 = FamRZ 13, 281). Das Familiengericht soll in der Lage sein, alle Rechtsstreitigkeiten, die durch den sozialen Verband Ehe und Familie begründet sind, zu entscheiden (BGH Beschl v 28.2.18 – XII ZR 87/17, openJur 18, 5243 = FamRZ 18, 839). Es wird dadurch gewährleistet, dass in diesem Zusammenhang stets dieselben Wertungen zugrunde gelegt werden können und ein und demselben Verfahrensrecht unterfallen. § 266 Abs 1 Nr 3 hat zudem die Zielsetzung, auch das Nebengüterrecht den Familiengerichten zuzuweisen (BGH Beschl v 5.12.12 – XII ZB 652/11, FamRZ 13, 281).
B. TB-Voraussetzungen.
I. § 266 Abs 1 Nr 1 FamFG.
Rn 1a
Bei einem Verlöbnis (§§ 1297 ff BGB) handelt es sich um einen Vertrag zwischen zwei Personen, die sich gegenseitig versprechen, künftig die Ehe miteinander einzugehen (Weinreich/Waruschewski FamRMandat, § 3 Rz 3). Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses stehen, sind Schadensersatz- und Rückgabeansprüche. Hierunter fallen nicht nur die Ansprüche zwischen den ehemals miteinander Verlobten, sondern auch diejenigen Dritter. Dritte in diesem Zusammenhang sind Personen, die aufgrund einer besonderen persönlichen Bindung zu einem oder beiden Verlobten Aufwendungen erbracht haben oder Verbindlichkeiten eingegangen sind, und zwar explizit im Hinblick auf eine zukünftige Ehe (FAKomm-FamR/Weinreich § 1298 BGB Rz 5).
II. § 266 Abs 1 Nr 2 FamFG.
Rn 2
Tatbestandsvoraussetzung des § 266 Abs 1 Nr 2 ist, dass die geltend zu machenden Ansprüche aus der Ehe herrühren. Das ist der Fall, wenn Anspruchsgrundlage die Ehe selbst ist (BGH Beschl v. 19.2.14 – XII ZB 45/13, openJur 14, 7258 = FamRZ 14, 746). Hierzu zählen aus § 1353 BGB hergeleitete Ansprüche, wie Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche bei Störung des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe – auch wenn dieser Anspruch gegen einen Dritten besteht (BGH Beschl v 19.2.14 – XII ZB 45/13, openJur 14, 7258 = FamRZ 14, 746). Ein Anspruch auf Ersatz von Nachteilen aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings allerdings ist dem Unterhaltsrecht und damit nicht § 266 Abs 1 Nr 2 FamFG, sondern §§ 112 Nr 1, 231 Abs 1 Nr 2 FamFG zuzuordnen (BGH Beschl v 13.5.20 – XII ZB 361/19).
III. § 266 Abs 1 Nr 3 FamFG.
Rn 3
Voraussetzung des § 266 Abs 1 Nr 3 ist stets, dass die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Trennung, Ehescheidung oder Aufhebung der Ehe der Ehegatten steht (BGH Beschl v 12.7.17 – XII ZB 40/17, openJur 18, 3211 = FamRZ 17, 1599). Hierfür bedarf es eines inhaltlichen und eines zeitlichen Zusammenhangs. Das erfordert eine Entscheidung im Einzelfall. Es kann ein Zeitablauf von 10 Jahren nach Rechtskraft der Ehescheidung einem Zusammenhang zur Auseinandersetzung der Ehe uU nicht entgegenstehen. Aber wenn der inhaltliche Zusammenhang allein darin besteht, dass die Beteiligten die ›psychologische Scheidung noch nicht bewältigt haben‹, genügt das für die Begründung der Zuständigkeit des Familiengerichts nicht (AG Holzminden Beschl v 13.5.10 – 12 f 104/10 RI, NJW-RR 10, 1517 [OLG Celle 05.07.2010 - 10 WF 209/10]). Mietstreitigkeiten zwischen geschiedenen Ehegatten können hiervon erfasst sein. Denn sie sind keine Wohnungseigentums- oder Erbsachen iSd § 348 Abs 1 S 2 Nr 2 ZPO (BGH Beschl v 5.12.12 – XII ZB 652/11, openJur 13, 96 = FamRZ 13, 281). Dasselbe gilt für Mietstreitigkeiten zwischen Schwiegerkindern und Schwiegereltern – egal in welcher Konstellation. Die ausschließliche Zuständigkeit der Zivilabteilungen des AG gem § 23 Nr 2a GVG für Wohnraummietsachen ändert hieran nichts. Ebenso wenig, dass bzw wenn Ansprüche ihren Grund nicht unmittelbar in der Ehe haben oder aus diesem Rechtsverhältnis herrühren (BGH Beschl v 12.7.17 – XII ZB 40/17, FamRZ 17, 1599). ...