Rn 3
Mit den anzugebenden Feststellungszielen wird der Streitgegenstand des Musterverfahrens umschrieben. Es können sowohl Tatsachen (›anspruchsbegründende oder anspruchsausschließende Voraussetzungen‹) als auch Antworten auf Rechtsfragen festgestellt werden. Das früher vorgeschriebene Merkmal der ›Klärungsbedürftigkeit‹ einer Rechtsfrage (§ 1 III Nr 5 KapMuG aF) ist aufgegeben (dazu Wolf/Lange NJW 12, 3751, 3752, s aber § 3 Rn 2). Zu den musterverfahrensfähigen Rechtsfragen können auch verfahrensrechtliche Fragen gehören, etwa die Auslegung des § 32b ZPO (Stuttg WM 19, 1079). Das Feststellungsziel muss eindeutig bestimmt sein (entsprechend § 253 II Nr 2 ZPO), so dass etwa die behaupteten Prospektfehler spezifisch bezeichnet werden müssen, nicht mit ›insbesondere durch …‹ (BGH NJW 17, 3777, 3783 [BGH 19.09.2017 - XI ZB 17/15]; BGH NJW-RR 18, 490 [BGH 09.01.2018 - II ZB 14/16]). Es müssen die konkreten Aussagen oder Auslassungen im Prospekt wiedergegeben werden (BGH NJW-RR 21, 1129). Bei sonstigen Kapitalmarktinformationen ist anzugeben, welche Informationen unrichtig seien oder in welcher Hinsicht angeblich unzureichend informiert wurde. Daher ist die begehrte Feststellung, ein Gutachten sei ›nicht ordnungsgemäß erstellt‹, zu unbestimmt, wenn keine konkreten Fehler benannt werden (BGH ZIP 23, 1683). Es ist aber nicht erforderlich, jede einzelne Tatsache anzugeben, aus der sich die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Kapitalmarktinformation ergeben soll, dies kann dem Parteivortrag entnommen werden (Celle 30.9.22 – 13 Kap 1/16, Rz 715).
Rn 4
Die Verwendung des Plurals im Gesetz stellt klar, dass ein Musterverfahrensantrag auch mehrere Feststellungsziele enthalten kann, was zum alten Recht noch umstritten war. Jedes Feststellungsziel bildet einen eigenen Streitgegenstand (BGH NJW 17, 3777, 3779 [BGH 19.09.2017 - XI ZB 17/15]).
Rn 5
Gem Abs 3 S 2 ist vom Antragsteller die für das Musterverfahren notwendige Breitenwirkung der begehrten Feststellungsziele darzulegen. Die Breitenwirkung muss sich nicht auf bereits anhängige Prozesse beziehen, sondern nur auf andere ›Rechtsstreitigkeiten‹, die sich auch noch im außergerichtlichen Raum befinden können. Sie fehlt aber, wenn nur ein individueller Schaden (BGHZ 177, 88 Rz 15) oder die Verjährung oder Verwirkung eines bestimmten Anspruchs festgestellt werden soll (BGH ebd Rz 25). Auch die Begründetheit eines Anspruchs als solche kann nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein (BGH ebd Rz 24). Dagegen sind generelle Feststellungen zur Art und Weise einer Schadensberechnung durchaus KapMuG-fähig, soweit sie eine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse in den Ausgangsverfahren nicht ausschließen (BGH ZIP 14, 2121, 2131). Bei Fragen der Kausalität ist zu unterscheiden: Ein individueller Kausalverlauf kann nicht Feststellungsziel sein (BGH WM 08, 124 Rz 6), wohl aber das Vorliegen einer insgesamt positiven Anlagestimmung (Bergmeister 204) oder sonstige allgemeine Entwicklungen oder Kausalbeziehungen am Kapitalmarkt (Hdb Kapitalmarktinformation/Schmitz § 32 Rz 89). Enthält der Antrag unzulässige oder zu weite Feststellungsziele, so hat das Prozessgericht gem § 139 I ZPO einzugreifen (München NZG 07, 911, 912 [OLG München 01.10.2007 - W (KAPMU) 10/07]). Werden Prospektfehler behauptet, so muss jeder einzelne Fehler explizit behauptet werden; eine offene Formulierung wie ›insbesondere‹ ist nicht ausreichend bestimmt (BGH NJW 17, 3777, 3783 [BGH 19.09.2017 - XI ZB 17/15]).