Gesetzestext
(1) Mit der Musterfeststellungsklage begehrt die klageberechtigte Stelle die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungsziele) zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer.
(2) Der Zulässigkeit einer Musterfeststellungsklage steht nicht entgegen, dass die klageberechtigte Stelle Abhilfeklage erheben könnte.
A. Zweck und Systematik.
Rn 1
Die Musterfeststellungsklage, die bisher in §§ 606 ff ZPO geregelt war, wurde mit dem VDuG nicht abgeschafft, sondern bleibt neben der Abhilfeklage als zweite Variante der VDuG-Verbandsklage erhalten. Neben den §§ 41, 42 gelten für die Musterfestellungsklage auch die allgemeinen Regeln des VDuG in §§ 1–13 sowie §§ 43 ff zur Anmeldung und dem Verbandsklagenregister.
B. Feststellungsziele.
Rn 2
Der Klageantrag besteht aus einem oder mehreren Feststellungszielen. Der Begriff ist aus dem KapMuG entlehnt. Jedes Feststellungsziel bildet gemeinsam mit dem zugehörigen Lebenssachverhalt einen eigenen Streitgegenstand (BGH ZIP 19, 1982). Gegenstand der Feststellung können Tatsachen oder Rechtsfragen sein, sofern von ihnen die betreffenden Ansprüche oder Rechtsverhältnisse abhängen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, so ist das betreffende Feststellungsziel unzulässig, nicht unbegründet (Feldhusen ZIP 20, 2377, 2384).
Rn 3
Das Bestehen individueller Ansprüche kann selbst nicht Feststellungsziel sein, da diese individualisierte Betrachtung nicht zur Breitenwirkung des Musterfeststellungsverfahrens passt (vgl BGH ZIP 21, 2427). Wohl aber können Ansprüche ›dem Grunde nach‹ festgestellt werden (BTDrs 19/10348, aA Braunschw Hinweisbeschl v 3.7.19 zu 4 MK 1/18; Berger ZZP 113, 3, 16). Mit dieser Formulierung sind im üblichen Sprachgebrauch alle Tatbestandsvoraussetzungen mit Ausnahme der Schadensberechnung gemeint, wobei jedoch auf den Einzelfall bezogene Einwendungen nicht ausgeschlossen sind. Letzteres ist im Antrag und im Tenor klarzustellen, sofern man dies nicht bereits aus dem kollektiven Charakter des Verfahrens entnehmen will (so Röthemeyer Rz 9).
Rn 4
Rechtsfragen können insoweit Feststellungsziel sein, als sie sich auf die Voraussetzungen eines Anspruchs beziehen. Es sind also Fragen des materiellen Rechts gemeint, keine Verfahrensfragen (Berger ZZP 113, 3, 15). Die Frage nach einer objektiv-generalisierbaren ergänzenden Vertragsauslegung ist Rechtsfrage und daher taugliches Feststellungsziel (BGH ZIP 21, 2427).
Rn 5
Auch Rechtsfragen aus dem Kollisionsrecht, dem Europarecht oder aus einem ausländischen Recht (Schneider BB 18, 1986, 1990) können Gegenstand einer Musterfeststellung sein.
C. Verhältnis zur Abhilfeklage.
Rn 6
Abs 2 stellt klar, dass kein Vorrang der Abhilfeklage besteht. Anders als bei § 256 ZPO hat der Kläger also die freie Wahl zwischen Abhilfe- und Musterfeststellungsklage. Auch die Erhebung beider Klagearten gleichzeitig aufgrund eines einheitlichen Sachverhalts ist zulässig und mag in bestimmten Konstellationen aus Sicht des Klägers taktisch sinnvoll sein (Röthemeyer § 1 VDuG Rz 27 ff). Auch eine Kombination mit einer Unterlassungsklage gem §§ 1 ff UKlaG ist möglich und wird durch die jetzt auch für UKlaG-Fälle beim OLG angesiedelte Zuständigkeit (§ 6 I 1 UKlaG) erleichtert.