Gesetzestext
(1) Zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits können die Parteien einen gerichtlichen Vergleich auch mit Wirkung für die im Verbandsklageregister angemeldeten Verbraucher schließen. Der gerichtliche Vergleich kann nicht vor Ablauf des in § 46 Absatz 1 Satz 1 genannten Zeitpunkts geschlossen werden.
(2) Der Vergleich bedarf der Genehmigung des Gerichts. Das Gericht genehmigt den Vergleich durch Beschluss, wenn es ihn unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands, insbesondere der Interessen der betroffenen Verbraucher, als angemessene gütliche Beilegung des Rechtsstreits erachtet. Andernfalls lehnt das Gericht die Genehmigung des Vergleichs durch Beschluss ab.
A. Zweck.
Rn 1
Im Verbandsklageverfahren besteht die Besonderheit, dass der Verband nicht über seine eigenen Rechtspositionen disponiert, sondern über diejenigen der betroffenen Verbraucher. Daher besteht ein potenzieller Interessenkonflikt zwischen dem Verband und den betroffenen Verbrauchern: Der Verband mag seine eigenen Ziele mit dem Verfahren verfolgen, und er hat auch bei einem ›schlechten‹ Vergleich keinerlei Vermögensnachteile zu befürchten. Daher ist es internationaler Standard, einen solchen Vergleich in Kollektivverfahren einer gerichtlichen Genehmigung zu unterwerfen, mit der die Interessen der betroffenen Verbraucher geschützt werden sollen.
Rn 2
Ein außergerichtlicher Vergleich ist trotzdem möglich, kann jedoch einzelne Betroffene nur mit deren Zustimmung binden. Er unterliegt aber nicht der Genehmigung des Gerichts und ist daher frei von inhaltlicher Kontrolle. Auf diesem Wege wurden bei der VW-Musterfeststellungsklage vom Verbandskläger in Kooperation mit dem Gericht und der Beklagten die gesetzlichen Vorschriften zur Genehmigung des Vergleichs bewusst umgangen; anschließend wurde die Klage zurückgenommen (dazu Gurkmann/Jahn VuR 20, 243; Stadler VuR 20, 163; Röthemeyer BKR 21, 191, 195).
B. Zeitpunkt.
Rn 3
Abs 1 S 2 soll die Möglichkeit der ›späten Anmeldung‹ (§ 46 Abs 1 S 1) sichern. Haben sich die Parteien geeinigt und soll ein gerichtlich genehmigter Vergleich geschlossen werden, hat das Gericht daher zunächst die mündliche Verhandlung zu schließen, dann die Dreiwochenfrist des § 46 Abs 1 S 1 abzuwarten und erst danach über die Genehmigung des Vergleichs zu entscheiden.
C. Genehmigung des Vergleichs.
Rn 4
Maßstab der inhaltlichen Prüfung des Vergleichs ist die Angemessenheit gem Abs 2. Damit ist gemeint, dass die Interessenkonflikte, die in Kollektivverfahren auftreten können, in dem Vergleich berücksichtigt und einer vernünftigen Lösung zugeführt werden (vgl zum Musterfeststellungsverfahren Kähler ZIP 20, 293).
Rn 5
Eine Anhörung der Betroffenen zum Vergleichsinhalt ist hier, anders als in §§ 17, 18 KapMuG, nicht vorgesehen. Das Gericht kann aber eine solche Anhörung vAw durchführen, um die Informationsgrundlage zur Frage der Angemssenheit zu verbessern (aA zur Musterfeststellungsklage R Magnus NJW 19, 3177, 3179: nur mit Zustimmung der Parteien).
D. Rechtsmittel.
Rn 6
Lehnt das Gericht die Genehmigung des Vergleichs durch Beschluss ab, so ist die Rechtsbeschwerde unter den in § 574 Abs 1 S 1 Nr 2, Abs 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen zulässig. Bei Genehmigung gibt es für die Parteien kein Rechtsmittel; für die angemeldeten Verbraucher besteht die Austrittsmöglichkeit gem § 10.