Prof. Hilmar Raeschke-Kessler
Rn 10
Zulässig ist eine statutarische Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, die eine Entscheidung des Schiedsgerichts auch für Beschlussmängelstreitigkeiten nach §§ 241 ff AktG analog vorsieht (BGHZ 180, 221 Rz 11 ff – Schiedsfähigkeit II). Das gilt auch für Personengesellschaften, bei denen nach dem Gesellschaftsvertrag Beschlussmängelstreitigkeiten zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft auszutragen sind (BGH 23.9.21 – I ZB 13/21 = NJW-RR 22, 261 Rz 14 – Schiedsfähigkeit IV).
1. Beschlussmängelstreitigkeit = Mehrparteienstreitigkeit.
Rn 11
Beschlussmängelstreitigkeiten sind ihrer Natur nach Mehrparteienstreitigkeiten mit besonderen Anforderungen bei der Bildung des Schiedsgerichts und der Durchführung des Schiedsverfahrens. Zahlreiche statutarischen Schiedsklauseln sind noch am Zwei-Parteien Schiedsverfahren orientiert. Sie entsprechen damit nicht den Anforderungen für Beschlussmängelstreitigkeiten und sind deswegen unwirksam, soweit Streitgegenstand die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses ist. Weist die Schiedsklausel alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis einem Schiedsgericht zu und ist der Gegenstand des Schiedsverfahrens jedoch keine Beschlussmängelstreitigkeit, liegt insoweit lediglich eine Teilnichtigkeit und keine Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB vor. Die Schiedsklausel bleibt für alle anderen Streitgegenstände wirksam (BGH 23.9.2021 – I ZB 13/21 = NJW-RR 22, 261 Rz 42 – Schiedsfähigkeit IV).
2. Besondere Anforderungen seit Schiedsfähigkeit II.
Rn 12
Um für Beschlussmängelstreitigkeiten wirksam zu sein, muss die Schiedsklausel folgende Anforderungen erfüllen: (1) Alle Gesellschafter müssen der Schiedsklausel in der Satzung zugestimmt haben. (2) Ist die Schiedsvereinbarung nicht in der Satzung enthalten, sondern von ihr getrennt, muss neben allen Gesellschaftern auch die Gesellschaft hieran beteiligt sein. (3) Alle Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, es sei denn, eine neutrale Stelle bestimmt die Schiedsrichter. Dabei gilt für eine Parteiseite das Mehrheitsprinzip. (4) Mehrere Beschlussmängelstreitigkeiten über denselben Streitgegenstand müssen bei einem vorher feststehenden Schiedsgericht konzentriert sein. (5) Der Schiedsspruch muss für alle Gesellschafter und die Gesellschaft verbindlich sein. Erfüllt sie diese Anforderungen nicht, ist sie in Bezug auf Beschlussmängelstreitigkeiten nichtig (BGHZ 180, 221 Rz 19 ff – Schiedsfähigkeit II). Die Anforderungen gelten entsprechend für Personengesellschaften wie eine KG, sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind (BGH SchiedsVZ 17, 194 [BGH 06.04.2017 - I ZB 23/16] Rz 26 = Schiedsfähigkeit III).
Rn 13
Es ist schwierig, eine statutarische Schiedsklausel, die sämtliche Anforderungen von Schiedsfähigkeit II (BGHZ 180, 221, Rz 20) erfüllt, selbst richtig zu formulieren. Es besteht die große Gefahr, dass dabei eine pathologische und damit unwirksame Klausel (s § 1029 Rn 14) herauskommt. Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit – DIS hat deswegen eine DIS Musterklausel für Gesellschafterstreitigkeiten erarbeitet, die die Anforderungen des BGH erfüllt (abrufbar unter www.dis-arb.de), die ohne weiteres als statutarische Schiedsklausel in einen Gesellschaftsvertrag übernommen werden kann. Zugleich hat die DIS Ergänzende Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten – ERGeS erlassen und 2018 überarbeitet, auf die die DIS Musterklausel Bezug nimmt. Das ist nach § 1031 III zulässig. Es ist zu empfehlen, sich in Gesellschaftsverträgen oder Satzungen der DIS Musterklausel zu bedienen.