Rn 4
Gemäß § 121 II hat eine Anwaltsbeiordnung zu erfolgen, wenn diese erforderlich erscheint. Die Beiordnung erfolgt nur auf Antrag. Im Antrag ist der ausgewählte Anwalt namentlich zu benennen, wobei die Benennung nicht ausdrücklich erfolgen muss, sondern darin liegen kann, dass der ausgewählte Anwalt seine Beiordnung beantragt. Stellt der Anwalt den PKH-Antrag ohne ausdrücklichen Antrag auf Beiordnung, so ist der Beiordnungsantrag als stillschweigend gestellt anzusehen (Dresd FamRZ 01, 634). Bis zur Entscheidung über das Beiordnungsgesuch kann der Antragsteller jederzeit – auch konkludent – die Benennung des ihm nach seiner Wahl beizuordnenden Rechtsanwalts ändern (Saarbr MDR 13, 547 [OLG Saarbrücken 11.12.2012 - 6 WF 405/12]).
Objektive Merkmale der Erforderlichkeit sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits. Subjektiv kommt es auf die tatsächlichen Fähigkeiten des Antragstellers an, insb auch auf seine intellektuellen Fähigkeiten und seine Besonderheiten, wie zum Beispiel, wenn eine neurologisch-psychiatrische Beeinträchtigung vorliegt. Es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn pauschal darauf abgestellt wird, dass das zu Grunde liegende Verfahren dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegt. Denn die Aufklärungs- und Beratungsverpflichtung des Rechtsanwalts geht über die Amtsermittlungspflicht des Richters hinaus (BVerfG FamRZ 02, 531).
Rn 5
Die Bewertung der subjektiven und sachlichen Voraussetzungen der Erforderlichkeit hat nach einem objektiven Maßstab zu erfolgen, nicht aus der Sicht des Anwalts oder der Partei (OVG Bremen JurBüro 84, 133). Dabei ist allerdings kein zu strenger Maßstab anzulegen. Tatsächlich werden auch in Verfahren, die nicht dem Anwaltszwang unterliegen, die meisten Parteien eine Vertretung durch Anwälte wählen. Die richterliche Hinweispflicht ist kein Ersatz für die Vertretung durch einen RA (Zö/Schultzky Rz 17). Auch die Partei, die nach ihren intellektuellen Fähigkeiten dazu in der Lage wäre, wird sich kaum so weit in die Besonderheiten des materiellen und des Verfahrensrechts einfinden können, um sich selbst adäquat zu vertreten. Unabhängig davon wäre mit der zwangsläufig erweiterten Fürsorge- und Hinweispflicht des Gerichts eine höhere Arbeitsbelastung für das Verfahren verbunden, so dass der beabsichtigte Zweck, eine Entlastung für die Staatskasse zu bringen, zweifelhaft ist.
Maßstab ist dementsprechend immer, ob eine vergleichbar gebildete Partei im gleichen Fall einen Rechtsanwalt zuziehen würde (Köln FamRZ 03, 1398).
Rn 6
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung, ob die Beiordnung erforderlich ist, ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife (Köln FamRZ 99, 46). Entscheidet das Gericht über einen Antrag auf Bewilligung von PKH ohne sachlichen Grund erst am Ende des Verfahrens, so ist aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes die Beiordnung notwendig, auch wenn die Voraussetzungen des § 121 eigentlich nicht vorliegen, der Anwalt aber im Verfahren tätig gewesen ist (Bambg NJW-RR 90, 1507 [OLG München 12.05.1989 - 23 U 2248/88]).
Einzelfälle.
1. Familiensachen nach dem bis zum 31.8.09 geltenden Recht.
Rn 7
S dazu die Ausführungen in der 3. Aufl, § 121 Rz 7 ff.
2. Ehe- und Folgesachen.
Rn 8
Wie nach dem bis zum 31.8.09 geltenden Recht besteht hier gem § 114 I FamFG auch schon in 1. Instanz vor dem FamG Anwaltszwang, Die Beiordnung richtet sich nach § 121, da § 78 FamFG wegen § 113 I FamFG nicht anwendbar ist (BGH FamRZ 11, 1138).
3. Selbstständige Familienstreitsachen.
Rn 9
Nach § 114 I FamFG herrscht nunmehr auch in Unterhaltsstreitverfahren durchgehend bereits im 1. Rechtszug Anwaltszwang, so dass die nach dem bis zum 31.8.09 diskutierte Frage nach der Notwendigkeit der Beiordnung insgesamt gegenstandslos geworden ist. Auch hier ist § 113 I FamFG iVm 121 ZPO anzuwenden (s Rn 8 aE).
4. Isolierte FG-Familiensachen nach dem FamFG.
Rn 10
Hier richtet sich die Frage der Anwaltsbeiordnung nach § 78 FamFG. Herrscht Anwaltszwang (vor dem BGH, § 114 II FamFG), so ist nach § 78 I FamFG ein Anwalt beizuordnen. Ist anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben, so beurteilt sich die Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung nach § 78 II FamFG. Der BGH hat die allgemeinen Voraussetzungen dieser Vorschrift – im Wege verfassungskonformer Auslegung – für die Praxis geklärt. Demnach ist dem Beteiligten dann ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich ist. Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Die gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von Regeln, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grds ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, regelmäßig nicht zu. Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ist deswegen nicht mit dem Gesetz vereinbar. Das Verfahren kann sich für einen Beteiligten auch allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer schwierigen Rechtslage so kompliziert darstellen, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Jeder der genannten Umstände kann also für sich die Bei...