Gesetzestext
(1) Zustellung ist die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der in diesem Titel bestimmten Form.
(2) Dokumente, deren Zustellung vorgeschrieben oder vom Gericht angeordnet ist, sind von Amts wegen zuzustellen, soweit nicht anderes bestimmt ist.
A. Allgemeines.
I. Rechtsentwicklung.
Rn 1
MWz 1.7.02 ist das Zustellungsrecht grdl reformiert worden; weitere Änderungen erfolgten ua zum 1.1.22, 1.1.23 und 1.1.24. Die Reform und die weiteren Änderungen dienten insb der Rechtsvereinfachung und einer rechtswegübergreifenden Vereinheitlichung, ferner der Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs.
II. Systematik.
Rn 2
§§ 166–190 regeln den gesetzlichen Regelfall der Zustellung vAw (s Abs 2). Diese Vorschriften gelten auch für die Zustellung auf Betreiben einer Partei, soweit in den §§ 191–195 nicht etwas anderes ausdrücklich vorgeschrieben ist. Ist eine Zustellung vAw vorgesehen, so ist eine Zustellung im Parteibetrieb unheilbar unwirksam (BGH MDR 10, 885 [BGH 19.05.2010 - IV ZR 14/08]; BGHNJW 11, 1965, 1968 Rz 41), mit Ausnahme des Falls einer Zustellung nach § 195 I 2 (Zö/Schultzky § 166 Rz 7). Ebenso unheilbar unwirksam ist die Amtszustellung bei gebotener Parteizustellung (Ddorf MDR 10, 652, 653 [OLG Düsseldorf 10.02.2010 - I-15 U 276/09]; Zö/Schultzky § 166 Rz 7). Welche Dokumente zuzustellen sind, ist in §§ 166 ff nicht geregelt; dies bestimmt sich nach den Vorschriften des Verfahrensrechts. Der Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften macht die Zustellung unwirksam (s aber Rn 11). Hinsichtlich der Besonderheiten für die Zustellung zum Zweck der Zwangsvollstreckung s die Kommentierung zu § 750. Für Zustellungen innerhalb der EU gelten die §§ 1067, 1068, 1069, 1070, 1071.
III. Begriffe.
Rn 3
Die Zustellung ist in Abs 1 legal definiert (BGH NJW 11, 1965 [BGH 27.01.2011 - VII ZR 186/09] Rz 29). Zum erforderlichen Zustellungswillen (Zustellungsabsicht) Rn 7. Zusteller ist, wer die Zustellung ausführt (§ 182 II Nr 8). Zustellungsveranlasser oder -betreiber ist, in wessen Auftrag zugestellt wird (vgl § 193 I 1; § 193 Rn 2). Zustellungsadressat ist die Person, an die die Zustellung erfolgen soll (§ 182 II Nr 1). Das ist die prozessfähige Person, der gesetzliche Vertreter der prozessunfähigen Person (§ 170 I 1), bei nicht natürlichen Personen deren Leiter (§ 170 II) und im gerichtlichen Verfahren stets der ProzBev (§ 172). Ein Bevollmächtigter iSd § 171 ist dagegen nicht Zustellungsadressat (St/J/Roth § 171 Rz 1; s.a. Ddorf NJW 10, 3729 [OLG Düsseldorf 25.03.2010 - I-5 U 89/09]). Die Person, der das Schriftstück tatsächlich übergeben wird, ist der Zustellungsempfänger (§ 182 II Nr 2). Dies ist der Zustellungsadressat, der Vertreter gem § 171 und in den Fällen des § 178 die Ersatzperson.
IV. Zustellung an Soldaten.
Rn 4
Zur Zustellung an Soldaten der Bundeswehr s den Erlass des Bundesministers der Verteidigung v 23.7.98 (VMBl 98, 246), zuletzt geändert durch Erlass v 14.6.04 (VMBl 04, 109). Zur Zustellung an Angehörige der NATO-Streitkräfte s Art 32 Nato-Truppenstatut-Zusatzabkommen sowie Zö/Schultzky § 166 Rz 6. Die Beachtung der dort vorgeschriebenen Zustellung durch die Verbindungsstelle ist Amtspflicht; geschützt ist auch der Kläger, dessen Klage zugestellt werden soll (BGH NVwZ 17, 251 [BGH 14.07.2016 - III ZR 265/15]).
B. Normzweck.
Rn 5
Die Zustellung dient dem Nachweis, dass und wann das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger zugegangen ist. Sie soll dem Adressaten ggü gewährleisten, dass er Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einrichten kann. Insoweit dient die Zustellung der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs (BVerfG NStZ-RR 23, 86 [BVerfG 09.01.2023 - 2 BvR 2697/18]; NJW 84, 2567, 2568). Eine Zustellung kommt va dann in Betracht, wenn die Bekanntgabe Rechtsfolgen herbeiführt, insb Rechte des Empfängers betrifft (zB empfangsbedürftige Willenserklärung, s § 132 BGB). Besondere Bedeutung hat die Zustellung in gerichtlichen Verfahren: Durch die Zustellung der Klageschrift wird die Klage rechtshängig (§ 253 I iVm § 261 I); die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung kann Wirksamkeitsvoraussetzung (Ersetzung der Urteilsverkündung gem § 310 III) oder für die Bestandskraft von Bedeutung sein (Zustellung verkündeter Urteile, § 317 I, oder von Beschlüssen, § 329 II 2, III). Eine formlose Mitteilung genügt, wenn diese lediglich zur Information des Adressaten erfolgt, durch sie aber nicht unmittelbar Rechte, Pflichten oder sonstige Wirkungen begründet werden sollen (vgl zB § 73 S 2 Alt 2, § 104 I 4, § 141 II 2, § 251a II 3, § 270 S 1, § 329 II 1, § 377 I 2).
C. Zustellung.
I. Voraussetzungen.
1. Anordnung.
Rn 6
Die Zustellung muss gesetzlich vorgeschrieben (vgl zB §§ 253 I, 317 I 1, 693 I) oder durch Verfügung des Richters oder Rechtspflegers nach pflichtgemäßem Ermessen angeordnet sein (§ 166 II). In diesem Fall beweist die Zustellung die erforderliche Mitteilung, die allerdings auch formlos hätte erfolgen können (vgl Rn 5). Der Urkundsbeamte ist an die Anordnung des Richters oder Rechtspflegers gebunden (BGH NJW 93, 1213, 1214). Ein Verstoß wird bei tatsächlichem Zugang geheilt (§ 189...