Rn 5
Der Zeitpunkt des Eingangs ist derjenige, zu dem das Schriftstück in die Verfügungsgewalt des in der Adresse angegebenen Gerichts gelangt ist. Die Mitwirkung des Gerichts (zB durch die Entgegennahme des Schriftstücks) ist nicht erforderlich (BVerfG NJW 80, 580 [BVerfG 03.10.1979 - 1 BvR 726/78]; BGH NJW 81, 1216). Der Eingang bei einem anderen Gericht genügt auch dann nicht, wenn dort ein dem internen Postaustausch dienendes Postfach eingerichtet ist und das Schriftstück in dieses eingelegt wird (LAG Bremen MDR 96, 417; s aber BVerfG NJW 05, 3346 [BVerfG 29.08.2005 - 1 BvR 2138/03]). Das Gleiche gilt, wenn ein Schriftstück (mit zutreffender Adressierung) auf der Telefaxnummer des falschen Gerichts eingeht – auch wenn dieses mit dem zuständigen Gericht im Übrigen eine gemeinsame Posteingangsstelle eingerichtet hat (BGH NJW-RR 12, 1461 [BGH 23.05.2012 - IV ZB 2/12]). Ist das Schriftstück falsch adressiert und wird es ungeöffnet an das bezeichnete Gericht weitergeleitet, so liegt zunächst kein Eingang vor (BGH NJW 94, 1354 [BGH 10.02.1994 - VII ZB 30/93]).
Rn 6
Die Verfügungsgewalt des Gerichts wird nur durch die Abgabe in üblicher Form begründet, also insb bei der Geschäftsstelle des Gerichts, bei einer hierfür eingerichteten Einlaufstelle, uU bei der Gerichtskasse (BGH NJW 84, 1239 [BGH 24.01.1984 - IX ZR 36/83]) oder dem zuständigen und zur Annahme bereiten Richter. Nicht genügend ist die Abgabe zB beim Hausmeister, Reinigungs- oder Kanzleipersonal. Der Einwurf in den für die allgemeine Briefpost vorgesehenen Hausbriefkasten genügt stets (BGH NJW 81, 1216; NJW 84, 1237). Dies gilt auch dann, wenn mit der Leerung (zB wegen Dienstschlusses des Gerichts) am selben Tag nicht mehr zu rechnen ist, und unabhängig davon, ob auch ein sog Nachtbriefkasten eingerichtet ist (BVerfG NJW 91, 2076 [BVerfG 07.05.1991 - 2 BvR 215/90]; BGH NJW 84, 1237 [BGH 25.01.1984 - IVb ZR 43/82]). Es genügt auch das Einlegen des Schriftstücks in ein von dem Gericht unterhaltenes Postfach (BGH NJW 86, 2646 [BGH 19.06.1986 - VII ZB 20/85]) oder in ein im Gebäude eines anderen Gerichts eingerichtetes Empfangsfach (BVerfG NJW 05, 3346 [BVerfG 29.08.2005 - 1 BvR 2138/03]; BGH NJW-RR 89, 1214 [BGH 21.06.1989 - VIII ZR 252/88]). Unterhalten mehrere Gerichte eine gemeinsame Einlaufstelle, so gelangt ein Schriftstück in die Verfügungsgewalt des Gerichts, an das das Schriftstück adressiert ist; ein falsch adressierter Brief geht also erst nach seiner Weiterleitung an das zuständige Gericht dort ein (BGH NJW 75, 2294 [BGH 24.09.1975 - IV ZB 21/75]; 83, 123 [BGH 13.10.1982 - IVb ZB 154/82]; NJW-RR 97, 892; BAG NJW 02, 845). Ein Eingang beim richtigen Gericht liegt aber dann vor, wenn beide Gerichte einen gemeinsamen Briefkasten unterhalten und aus dem Schriftstück trotz der falschen Adresse (zB aufgrund des Aktenzeichens) ersichtlich ist, an welches Gericht das Schriftstück gerichtet sein sollte (BGH NJW 89, 590, 591 [BGH 06.10.1988 - VII ZB 1/88]; aA BAG NJW 02, 845, 846 [BAG 29.08.2001 - 4 AZR 388/00]). Das gilt erst recht, wenn eine Adresse ganz fehlt (BGH NJW 92, 1047). Befindet sich ein richtig adressierter Schriftsatz zusammen mit anderer Post in einem mit der Adresse des anderen Gerichts versehenen Sammelumschlag, steht dies dem Eingang beim auf dem Schriftsatz genannten Gericht nicht entgegen (BGH NJW-RR 05, 75); lautet die Adressierung des Umschlags dagegen auf einen anderen Empfänger und wird er als Irrläufer ungeöffnet an diesen weitergeleitet, ist der Schriftsatz nicht bei Gericht eingegangen. Der Eingang bei einem auswärtigen Spruchkörper steht dem Eingang bei dem Stammgericht gleich, ebenso wie umgekehrt (BGH NJW 67, 107; Karlsr NJW 84, 744).
Rn 7
Erklärungen zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (vgl dazu § 44 I, § 117 I, § 920 III, § 936 sowie §§ 129a, 78 III) sind mit dem Ende der Protokollierung eingegangen. Bei elektronischen Dokumenten kommt es gem § 130a V auf die Speicherung auf der Empfangseinrichtung an, wobei dem Absender eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen ist. Die Speicherung auf der Empfangseinrichtung ist auch für den Eingang eines Telefax maßgebend; der vollständige Ausdruck ist nicht erforderlich (BGH NJW 06, 2263 [BGH 25.04.2006 - IV ZB 20/05]; NJW 13, 2514 Rz 11). Die telefonische Übermittlung bewirkt keinen Eingang, auch nicht das Zusprechen eines Telegramms durch die Post (aA BGH NJW 60, 1310 [BGH 29.04.1960 - 1 StR 114/60]; JZ 53, 179 [BGH 23.09.1952 - V BLw 3/52]; vgl auch GemS-OGB NJW 00, 2340, 2341 [GmSOGB 05.04.2000 - GmS-OGB 1/98]).
Rn 8
Die Rückwirkung setzt nicht voraus, dass das zuständige Gericht angerufen worden ist (Anders/Gehle/Vogt-Beheim Rz 9; aA BeckOK ZPO/Dörndorfer Rz 1; offen Brandbg NJW-RR 22, 1661 [OLG Brandenburg 26.09.2022 - 13 UF 37/22]).