Rn 7
Der ProzBev muss ›für den Rechtszug‹ bestellt sein. Dieser beginnt mit Anhängigkeit (s § 261 Rn 2) und endet mit Eintritt der formellen Rechtskraft der abschließenden Entscheidung oder sobald dagegen ein Rechtsmittel eingelegt ist. Die Zustellung der abschließenden Entscheidung gehört stets noch zu dem Rechtszug, auch wenn bereits ein Rechtsmittel eingelegt ist. Diese muss stets an den ProzBev des Rechtszugs erfolgen, in dem die Entscheidung erlassen worden ist, auch wenn für den höheren Rechtszug ein Rechtsanwalt schon bestellt ist. Die Zustellung einer berichtigten Abschrift des Berufungsurteils hat deshalb auch dann gem § 172 I 1 an den für den Berufungsrechtszug bestellten ProzBev der Partei zu erfolgen, wenn für die Partei bereits ein beim BGH zugelassener Rechtsanwalt Revision eingelegt hat (BGH NJW-RR 22, 709 [BGH 25.01.2022 - VIII ZR 233/20] Rz 26). Zum Rechtszug gehört auch das PKH-Bewilligungsverfahren. Im PKH-Überprüfungsverfahren haben auch nach dem formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens Zustellungen jedenfalls dann gem § 172 I an den ProzBev der Partei zu erfolgen, wenn dieser die Partei im PKH-Bewilligungsverfahren vertreten hat (BGH NJOZ 12, 813 Rz 8; Hamm NJOZ 23, 1245). Zum Rechtszug gehört auch ein Beschlussverfahren nach Beendigung des Rechtsstreits ohne Urt (etwa durch Klagerücknahme, Vergleich, beidseitige Erledigungserklärung), ebenso das Kostenfestsetzungsverfahren (§ 103 II 1; BGH DGVZ 13, 20 Rz 9). Bei Abgabe oder Verweisung schließt der Rechtszug das Verfahren vor dem neuen Gericht ein.
Rn 8
Abs 1 S 2 stellt klar, dass der Rechtszug auch umfasst: Einspruchsverfahren (§§ 338, 700), Verfahren nach Aufhebung und Zurückverweisung (§§ 538, 563, 566 VIII, § 572 III, § 577 IV), Wiederaufnahme (§§ 578, 579), Anhörungsrüge (§ 321a) sowie die auf neuem Vorbringen beruhenden Zwangsvollstreckungsverfahren, dh die Klageverfahren gem §§ 731, 767–770, 785–786a. Nach Abs 1 S 3 umfasst der Rechtszug außerdem das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht (§ 764), also insb die Zwangsvollstreckung in Forderungen und die Verfahren nach § 1 I ZVG. Zum Rechtszug gehören aber auch die Verfahren, für die das Prozessgericht oder das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan zuständig sind (insb §§ 887–891). § 172 gilt schließlich auch für die zur Einleitung der Zwangsvollstreckung erforderlichen Zustellungen (§§ 750, 751 II, §§ 756, 765). Ein in höherer Instanz geschaffener Vollstreckungstitel (zB Vergleich) ist daher an den ProzBev 1. Instanz zuzustellen; das auf ein Rechtsmittel hin ergangene Urt ist allerdings an den ProzBev der höheren Instanz zuzustellen.
Rn 9
Nicht zum Rechtszug gehören Klagen aus Anlass der Zwangsvollstreckung, bei denen eine neue Partei auftritt (§§ 771, 774, 805, 810 II, 878). Zum Rechtszug eines selbstständigen Beweisverfahrens gehört nicht das Hauptsacheverfahren. Für Nebenverfahren iSd § 82, insb die Verfahren des einstw Rechtsschutzes, hat der für den Hauptprozess beauftragte Anwalt zwar Vollmacht, so dass an ihn zugestellt werden kann; sie gehören aber nicht zum Rechtszug des Hauptprozesses, so dass die Zustellung an ihn nicht gem § 172 zwingend ist (vgl Nürnbg MDR 02, 232; Zö/Schultzky Rz 14). Ein eigenes Verfahren ist auch das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG, so dass nur an denjenigen ProzBev zuzustellen ist, der sich für dieses Verfahren eigens bestellt.