Gesetzestext
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt:
1. |
der Verlobte einer Partei; |
2. |
der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; |
2a. |
der Lebenspartner einer Partei, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; |
3. |
diejenigen, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren; |
4. |
Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut ist; |
5. |
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt; |
6. |
Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht. |
(2) Die unter Nummern 1 bis 3 bezeichneten Personen sind vor der Vernehmung über ihr Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren.
(3) Die Vernehmung der unter Nummern 4 bis 6 bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugnis nicht verweigert wird, auf Tatsachen nicht zu richten, in Ansehung welcher erhellt, dass ohne Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein Zeugnis nicht abgelegt werden kann.
A. Zweck der Norm.
Rn 1
Die Vorschrift schützt den Zeugen. Die Pflicht zur Aussage kann mit mancherlei anderen Interessen oder moralischen und rechtlichen Pflichten des Zeugen kollidieren. So eröffnet die Norm für den Zeugen das Recht, die Aussage insgesamt verweigern zu dürfen. Das Recht, die Aussage zu verweigern, steht allein dem Zeugen, nicht aber der Partei zu; eine Einschränkung der sekundären Darlegungslast der Partei kann aus dieser Vorschrift daher nicht abgeleitet werden (BGH MDR 17, 1315 [BGH 30.03.2017 - I ZR 19/16] Rz 27).
B. Die Anwendungsvoraussetzungen iE.
I. § 383 I Nr 1–3.
1. Allgemein.
a)
Rn 2
Für das Zeugnisverweigerungsrecht der nahen Angehörigen (§ 383 I Nr 1–3) kommt es auf das Beweisthema nicht an; es ist also irrelevant, ob überhaupt gerade die persönliche Beziehung des Zeugen zur Partei mit dem Streitgegenstand in irgendeinem Zusammenhang steht.
b)
Rn 3
Welche Gründe der Zeuge hat, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch oder keinen Gebrauch zu machen, spielt keine Rolle. Der Zeuge braucht seine Entscheidung nicht zu begründen, seine Entschließung ist ohne weiteres hinzunehmen. Jede Einwirkung des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter auf den Zeugen ist verboten (Musielak/Voit/Huber § 383 Rz 2; BGH NJW 89, 2403 zu § 52 StPO).
c)
Rn 4
Das Zeugnisverweigerungsrecht besteht möglicherweise nur hinsichtlich einzelner Prozessbeteiligter: Ist der Zeuge mit einem von mehreren Streitgenossen verwandt, darf er die Aussage nur insoweit verweigern, als die Beweisfrage diesen Streitgenossen betrifft (München 31.5.17 – 5 W 556/17 Rz 5; Musielak/Voit/Huber § 383 Rz 2).
d)
Rn 5
Die Verwandtschaft etc muss zur Partei des Rechtsstreits bestehen. Der nicht beigetretene Streitverkündete gehört hierzu nicht (Musielak/Huber § 383 Rz 2), der Streithelfer dagegen schon (Zö/Greger § 383 Rz 2; aA Musielak/Voit/Huber § 383 Rz 2). Bei juristischen Personen oder anderen Parteien, die der Vertretung bedürfen, kommt es auf das in § 383 beschriebene Näheverhältnis zum jeweiligen Vertreter, also zur vertretenden natürlichen Person an (BGH ZIP 15, 2296 Rz 8; Zö/Greger § 383 Rz 2). Im Fall der Insolvenz ist die Verwandtschaft zum Gemeinschuldner ausschlaggebend (BGH NJW 79, 1832 [BGH 06.06.1979 - VIII ZR 255/78]). Es reicht aus, wenn das familiär begründete Zeugnisverweigerungsrecht irgendwann einmal bestanden hat; eine spätere Änderung der familienrechtlichen Verhältnisse ist irrelevant (München 31.5.17 – 5 W 556/17, Rz 8).
e)
Rn 6
§ 383 begründet ein Recht des Zeugen, nicht der Partei; zeugnisverweigerungsberechtigt kann die ›Partei‹ daher nur dann sein, wenn sie im eigenen Verfahren, zB wegen Prozessunfähigkeit, vertreten wird und deshalb als Zeuge auftritt (§ 373 Rn 12; Zö/Greger § 383 Rz 2).
f)
Rn 7
Bei einem Minderjährigen ist in Analogie zu § 52 II 1 StPO auf dessen Verstandesreife abzustellen: Liegt diese vor, verfügt also der Minderjährige selbst über die zum Verständnis des Zeugnisverweigerungsrechts erforderliche geistige Reife, so ist nur die Entscheidung des Minderjährigen maßgeblich (BayLSG 12.5.21 – L 3 U 373/18, Rz 37). Fehlt sie, so entscheidet der gesetzliche Vertreter. Ist dieser wiederum selbst Partei (zB die Eltern des Minderjährigen), so ist für die Entscheidung, ob der Minderjährige von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, gem §§ 1629 II 1, 1795 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen (Düsseldorf NZBau 17, 605 Rz 21; Musielak/Voit/Huber § 383 Rz 2; vgl auch Zö/Greger § 383 Rz 4).
g)
Rn 8
Über das ...