Prof. Dr. Christian Katzenmeier
Gesetzestext
Insoweit zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen zu vernehmen sind, kommen die Vorschriften über den Zeugenbeweis zur Anwendung.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 414 stellt klar, dass der sachverständige Zeuge iSd Beweisrechts echter Zeuge ist. Dementsprechend gelten die Vorschriften über den Zeugen-, nicht die über den Sachverständigenbeweis. Der sachverständige Zeuge ist idR nicht austauschbar, insb keine Ablehnung nach § 406.
B. Einzelerläuterungen.
I. Begriff und Abgrenzung.
Rn 2
Der sachverständige Zeuge wird als Zeuge über die Wahrnehmung vergangener Tatsachen oder Zustände vernommen. Die Wahrnehmung und Bildung des Tatsachenurteils (vgl St/J/Berger vor § 373 Rz 11) war ihm jedoch nur möglich, weil er über eine besondere Sachkunde verfügt. Weitere Wertungen und Schlussfolgerungen darf er als Zeuge nicht ziehen (VfGH Berlin VersR 09, 564, 566 mwN). Die Abgrenzung zwischen Zeuge, sachverständigem Zeugen und SV kann im Einzelfall schwierig sein. Zwischen den ersten beiden ist sie idR ohne Konsequenz (s Rn 3). Die Abgrenzung zwischen Zeugenstellung und der als SV ist bedeutsam, insb für die Ablehnung nach § 406, die Beweiswürdigung (OVG NW NVwZ-RR 08, 214 zur Ablehnung eines Beweisantrags) und für die Vergütung (§ 413; ausreichend, wenn auch SV, s Rn 4). Wahrnehmungen, die ohne gerichtlichen Auftrag gemacht wurden, werden stets über den Zeugenbeweis (ggf iVm § 414) eingeführt (zB auch Wahrnehmungen eines Privatgutachters, BGH MDR 74, 382; s.a. Frankf BauR 19, 294). Bei Wahrnehmungen im gerichtlichen Auftrag ist zu unterscheiden: Zunächst ist der gerichtlich Beauftragte SV hinsichtlich aller Wahrnehmungen, die er aufgrund besonderer Sachkunde gemacht hat (Befundtatsachen), hinsichtlich anderer Feststellungen (Zusatztatsachen) immer (›einfacher‹) Zeuge. Nach Beendigung der Sachverständigenstellung (zB durch erfolgreiche Ablehnung) kann der bisherige SV über Tatsachen, die er iR seines Auftrags aufgrund besonderer Sachkunde wahrgenommen hat, als (sachverständiger) Zeuge vernommen werden (BGH NJW 65, 1492). Zur Abgrenzung vom Zeugen allg vor §§ 402 ff Rn 6. Maßgeblich ist die Funktion, der Inhalt der Bekundung entspr dem vom Gericht erteilten Auftrag, nicht hingegen die möglicherweise falsche Bezeichnung durch das Gericht (BGH MDR 74, 382: Gegenstand der Vernehmung; Ddorf VersR 83, 544 und Kobl MDR 14, 1296 zur Vergütung; s.a. § 413 Rn 2). Kein eigenmächtiges Aufschwingen vom Zeugen zum SV durch unaufgeforderte gutachterliche Äußerungen.
II. Rechtliche Behandlung.
Rn 3
Es gelten uneingeschränkt die Regeln über den Zeugenbeweis. Die Vernehmung darf nicht aufgrund fehlender Sachkunde abgelehnt werden, vielmehr ist das Fehlen anhand der Vernehmung (ggf mit Hilfe von SV) festzustellen. Gründen, die eine Ablehnung gerechtfertigt haben oder hätten rechtfertigen können, ist bei der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen (BGH MDR 74, 382).
III. (Sachverständiger) Zeuge und SV in einer Person.
Rn 4
Vereinigt eine Person beide Eigenschaften (zur Abgrenzung s Rn 2), so kommen sowohl die Bestimmungen über den Zeugenbeweis als auch die über den Sachverständigenbeweis zur Anwendung; etwa doppelte Eidesleistung, idR (da meist nicht trennbar) erhöhte Vergütung als SV (RG JW 1902, 531; s.a. OVG Lüneburg NJW 12, 1307). Für eine Beweiswürdigung auch als SV muss eine Vernehmung auch als solche, wenn nicht aus dem Sitzungsprotokoll, so doch jedenfalls aus den Umständen erkennbar sein (Celle VersR 00, 58).
C. Hinweise zur Prozesssituation.
Rn 5
Sowohl die Parteien als auch ›der SV‹ können das Gericht zur Klarstellung auffordern; gutachterliche Bewertungen können von der Zusage der Vergütung als SV (§ 413) abhängig gemacht werden (vgl Rn 2, 4). Beim sachverständigen Zeugen ist darauf zu achten, dass er sich auf die Wiedergabe der tatsächlichen Seite des Geschehenen konzentriert und sich mit Schlussfolgerungen zurückhält.