Rn 45
Die Berufung kann – ausschließlich oder neben anderen Gründen – auf neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel gestützt werden; diese sind allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs 2 zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 07, 934, 935 [BGH 27.03.2007 - VIII ZB 123/06]).
Rn 46
Angriffs- und Verteidigungsmittel sind insb Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden (§ 282 I). Nicht dazu zählen Klage, Widerklage und Rechtsmittelanträge sowie die auf deren Zurückweisung gerichteten Anträge und die Aufrechnung.
Rn 47
Neu sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, wenn sie erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen werden. Das ist auch der Fall, wenn sie zwar bereits in der 1. Instanz, dort aber nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in einem nicht nachgelassenen oder zwar nachgelassenen, aber von dem Schriftsatznachlass nicht gedeckten oder verspätet eingegangenen Schriftsatz (§ 283) vorgetragen, von dem erstinstanzlichen Gericht nicht berücksichtigt wurden und in der Berufungsbegründung wiederholt werden. Konkretisieren die in der Berufungsbegründung vorgetragenen Angriffs- und Verteidigungsmittel einen in der 1. Instanz lediglich allgemein gehaltenen Vortrag, sind sie ebenfalls neu; wird ein bereits schlüssiger Vortrag aus der 1. Instanz in der Berufungsbegründung konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert, ist er nicht neu (BGHZ 159, 245, 251). Hat das erstinstanzliche Gericht über Vorbringen nicht entschieden, zB, weil es die Klage für unzulässig gehalten hat, muss es in der Berufungsinstanz nicht erneut vorgebracht werden (BGH WM 19, 2255).
Rn 48
Der Berufungskläger muss die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel bezeichnen, er muss sie also ausdrücklich benennen. Zusätzlich muss er auch die Tatsachen vortragen, welche die Zulassung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs 2 rechtfertigen (BGH MDR 22, 309, 310). Dazu gehört die Darlegung von Gesichtspunkten, welche das erstinstanzliche Gericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (§ 531 II 1 Nr 1), von Verfahrensmängeln, auf Grund derer die Angriffs- und Verteidigungsmittel in der 1. Instanz nicht vorgebracht wurden (§ 531 II 1 Nr 2), sowie der Umstände, welche dazu geführt haben, dass der Berufungskläger die Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht bereits in der 1. Instanz vorgebracht hat, ohne dass ihm insoweit Nachlässigkeit vorzuwerfen ist (§ 531 II 1 Nr 3). Fehlt es daran, ist die Berufung unzulässig (BGH WM 15, 739, 740). Ob die vorgetragenen Tatsachen für die Zulassung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ausreichen, ist unerheblich; denn diese Frage betrifft die Begründetheit der Berufung, während es hier um die Anforderungen an ihre Zulässigkeit geht (Rn 1).