Prof. Dr. Markus Gehrlein
Gesetzestext
(1) Bei Personen, für die ein Betreuer bestellt ist, richtet sich die Prozessfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften.
(2) Wird ein Betreuter in einem Rechtsstreit durch einen Betreuer vertreten, kann der Betreuer in jeder Lage des Verfahrens gegenüber dem Prozessgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären, dass der Rechtsstreit fortan ausschließlich durch ihn geführt wird (Ausschließlichkeitserklärung). Mit Eingang der Ausschließlichkeitserklärung steht der Betreute für den weiteren Rechtsstreit einer nicht prozessfähigen Person gleich. Der Betreuer kann die Ausschließlichkeitserklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen.
A. Grundsatz.
Rn 1
Die Neufassung des § 53 enthält in Abs 1 eine Verweisung auf die allgemeinen Vorschriften, nach deren Inhalt sich die Prozessfähigkeit betreuter Personen bestimmt. Dieser Verweis auf die Vorschriften führt dazu, dass die Prozessfähigkeit von Personen, für die ein Betreuer bestellt ist, nur von ihrer Geschäftsfähigkeit abhängt (§ 51, vgl auch §§ 275, 316 FamFG), ohne dass das Auftreten ihres Betreuers im Prozess abweichend vom bisherigen Rechtszustand für sich genommen zum Verlust der prozessualen Handlungsfähigkeit führt. Es handelt sich um eine deklaratorische Vorschrift, die die Abkehr von dem bisherigen Grundsatz verdeutlichen soll. Die Betreuerbestellung als solche hat keinen Einfluss auf die Geschäfts- und damit Prozessfähigkeit des Betreuten (BTDrs 19/27287, S 27).
B. Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.
Rn 2
Etwas anderes gilt nach Abs 2 nur, soweit ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist. Dann wird eine Prozesshandlung des Betreuten erst mit Einwilligung des Betreuers wirksam. Bestehen Zweifel an der Prozessfähigkeit, hat das Prozessgericht die Prozessfähigkeit vAw zu überprüfen, § 56. Die Möglichkeit für Betreuer, iR ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1823 BGB) vor Gericht tätig zu werden, wird nicht berührt. Die Neuregelung in § 1823 Abs 1 BGB stellt aber im Zusammenspiel mit § 1821 Abs 1 S 2 BGB klar, dass eine Vertretung durch den Betreuer, wenn der Betreute unbeschränkt geschäftsfähig und damit prozessfähig ist, grds nicht in Betracht kommt. Denn § 1823 BGB gibt dem Betreuer im Außenverhältnis im Rahmen seines Aufgabenkreises zwar nach wie vor eine umfassende und bedingungslose Vertretungsmacht, die auch zur wirksamen Vertretung in gerichtlichen Verfahren berechtigt. Im Innenverhältnis ist der Betreuer aber an die Vorgabe des § 1821 Abs 1 S 2 BGB gebunden, wonach er von seiner Vertretungsmacht nach § 1823 BGB nur Gebrauch machen darf, soweit dies erforderlich ist. Zudem ist er bei deren Ausübung grds an die Wünsche bzw den mutmaßlichen Willen des Betreuten gebunden (§ 1821 Abs 2–4 BGB; BTDrs 19/27287, S 27 f).
Rn 2a
Es wird damit in den Fällen der Prozessfähigkeit von Betreuten ermöglicht, dass Betreuer und Betreute nebeneinander im Prozess handeln können. Damit sind widersprüchliche Prozesshandlungen nicht ausgeschlossen. Diese Regelung entspricht insoweit derjenigen für den außergerichtlichen Rechtsverkehr, in dem – seit Einführung der Betreuung im Jahr 1992 – eine parallele Doppelkompetenz besteht. Eine Ausnahme besteht nur bei einem angeordneten Einwilligungsvorbehalt. Mögliche Widersprüche zwischen dem prozessualen Verhalten des geschäfts- und damit prozessfähigen Betreuten einerseits und seinem Betreuer andererseits sind nach den allgemeinen Vorschriften aufzulösen (BTDrs 19/27287, S 28).
C. Rechte des Betreuers.
Rn 3
Die Regelung des Abs 2 S 1 und 2 hat den Einzelfall im Blick, in dem die Gefahr besteht, dass eine Person, für die ein Betreuer bestellt ist, trotz fortbestehender Geschäfts- und Prozessfähigkeit in einem Rechtsstreit krankheitsbedingt Prozesshandlungen vornimmt, die den eigenen Interessen zuwiderlaufen und einen erheblichen Schaden zu verursachen drohen. Für einen solchen Ausnahmefall erhält der Betreuer die Handhabe, den Rechtsstreit an sich zu ziehen und den Betreuten zu seinem Schutz von der weiteren Prozessführung auszuschließen. Abs 2 S 1 sieht daher vor, dass ein Betreuer, der einen Betreuten in einem Rechtsstreit vertritt, in jeder Lage des Verfahrens ggü dem Prozessgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären kann, dass der Rechtsstreit ausschließlich durch ihn geführt wird (Ausschließlichkeitserklärung). Eine Ausschließlichkeitserklärung kann daher nur abgegeben werden, wenn der Gegenstand des Prozesses in den Aufgabenkreis des Betreuers fällt und er den Betreuten daher wirksam vertreten kann. Mit Eingang einer Ausschließlichkeitserklärung steht der Betreute für den weiteren Rechtsstreit qua Gesetz einer nicht prozessfähigen Person gleich (BTDrs 19/27287, S 28).
I. Ausschließlichkeitserklärung.
Rn 4
Die Prozessfähigkeit des Betreuten ist keine Voraussetzung für die Abgabe einer Ausschließlichkeitserklärung. Diese kann auch für einen nach den allgemeinen Vorschriften nicht prozessfähigen Betreuten abgegeben werden. Ob die Abgabe einer Ausschließlichkeitserklärung erforderlich ist, bestimmt sich nach dem Innenverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem, insb nach § 1821 BGB, u...