Gesetzestext
(1) 1Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
1. |
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, |
2. |
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. |
2Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.
(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.
A. Systematik, Zweck, Anwendungsbereich.
Rn 1
Auch das Berufungsurteil hat grds den aus §§ 313, 313a ersichtlichen Inhalt. Damit nicht alle Berufungsurteile einen ausführlichen Tatbestand und umfassende Entscheidungsgründe enthalten müssen, erlaubt § 540 Erleichterungen für die Abfassung dieser beiden Abschnitte. Rechtlicher und tatsächlicher Begründung bedürfen nur noch diejenigen Punkte, die das Berufungsgericht im Rahmen seiner Fehlerkontrolle berichtigt hat. Die Vorschrift dient damit der Entlastung des Berufungsgerichts bei Abfassung des Urteils. Die ›unglückliche Pauperität‹ (Gaier NJW 04, 2041, 2045) der gesetzlichen Regelung verstellt allerdings eher den Blick auf die Anforderungen dieser Teile des Berufungsurteils, als dass sie Klarheit schafft. In dem Spannungsfeld der unterschiedlichen Funktionen des Berufungsurteils muss das Interesse des Berufungsgerichts an einer Entlastung bei der Urteilsabfassung genauso zurücktreten, wie das Interesse der Parteien an einer Verständlichkeit der Berufungsentscheidung. Von zentraler Bedeutung für den Inhalt der tatsächlichen Begründung des Berufungsurteils ist die Überprüfbarkeit des Urteils in der Revisionsinstanz (§ 559).
Rn 2
Die Vorschrift gilt in allen Berufungsverfahren, auch vor dem Einzelrichter und im WEG-Verfahren (zur Neuregelung 2016 Zschieschack NZM 16, 20). Sie ist entsprechend auch auf Beschlüsse nach § 522 II anwendbar (BGH NJW-RR 18, 1987; MDR 16, 1402 [BGH 21.09.2016 - VIII ZR 188/15]). Auf das arbeitsgerichtliche Berufungsverfahren findet § 540 I gem § 69 IV ArbGG keine Anwendung (BAG NJW 06, 3020 [BAG 18.05.2006 - 6 AZR 627/05]).
B. Allgemeines.
Rn 3
§ 540 enthält – neben einer vereinfachten Abfassungsform (Abs 1 S 2) – besondere Regelungen nur für den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils. Diese unterscheiden sich danach, ob gegen das Urteil weitere Rechtsmittel (Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) gegeben sind oder nicht (Rn 14 ff). Für die übrigen Bestandteile des Urteils gelten gem § 525 die allgemeinen Vorschriften (insbes § 313 I) sowie die allgemeinen Praktikabilitätsanforderungen mit den sich aus dem Wesen der zweiten Instanz ergebenden Besonderheiten.
C. Urteilseingang und Formalia.
Rn 4
Insoweit gelten nach § 525 die allgemeinen Vorschriften, § 540 enthält dazu besondere Regelungen nicht. Das Berufungsurteil enthält gem § 4 AktO die Angabe der Gerichte und Geschäftsnummern beider Instanzen, nach § 311 die Floskel ›Im Namen des Volkes‹, nach § 315 III den Verkündungsvermerk und nach § 313 I Nr 1–3 die Bezeichnung der Parteien (Hamm MDR 23, 597), ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten, die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben sowie den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist (Aufbau- und Formulierungsbeispiele bei Hirtz/Oberheim/Siebert/Oberheim Kap 18 Rz 5–30). Das Urt ist von allen mitwirkenden Richtern zu unterschreiben, die Bezeichnung als ›Urteil‹ ist nur in den Fällen des § 313b I erforderlich, ansonsten fakultativ möglich. Besonderheiten dem erstinstanzlichen Urt ggü (dazu § 313 Rn 2 ff) ergeben sich insoweit, als die Parteien mit ihren Parteistellungen aus beiden Instanzen (›Kläger und Berufungsbeklagter‹) zu bezeichnen sind (BGH NJW-RR 18, 1087 [BGH 12.06.2018 - II ZR 229/16]). Dabei kann mit dem erstinstanzlichen Kl genauso begonnen werden, wie mit dem zweitinstanzlichen Berufungskläger.
D. Urteilsformel.
Rn 5
Die Urteilsformel (Tenor) enthält die Entscheidungen über die Hauptsache und die erforderlichen prozessualen Nebenfragen. Auch wenn für das Verständnis des Urteilstenors neben dessen Wortlaut ergänzend der Inhalt der Entscheidungsgründe, die Klageanträge und der Klägervortrag maßgeblich sind und zur Auslegung herangezogen werden können (BGH NJW-RR 17, 763 [BGH 17.01.2017 - XI ZR 490/15]), sollte seine Formulierung Inhalt und Umfang der Entscheidung möglichst eindeutig und zweifelsfrei bezeichnen. Dies gilt insbesondere bei einer Mehrheit von Parteien und/oder Anträgen.
I. Hauptsache.
Rn 6
Eine unzulässige Berufung wird verworfen (§ 522 I 2), eine unbegründete Berufung zurückgewiesen. Auf eine begründete Berufung hin kommt ausnahmsweise eine Aufhebung des angefochtenen Urteils verbunden mit einer Zurückverweisung an die erste Instanz in Betracht (§ 538 Rn 5), regelmäßig erfolgt eine eigene Sachentscheidung in Form einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Diese erfordert regelmäßig die Ausformulierung eines neuen (erstinstanzlichen) Hauptsachetenors, ist aber auch in Form einer ...