Rn 8

Wie bei jedem Rechtsmittel sind Zulässigkeit und Begründetheit der sofortigen Beschwerde gesondert zu prüfen. Zulässigkeitsvoraussetzungen sind die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde, die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Frist und Form (§ 569) sowie die Beschwer des Beschwerdeführers, deren Beseitigung die sofortige Beschwerde dienen soll. In bestimmten Fällen verlangt das Gesetz darüber hinaus eine bestimmte Beschwerdesumme. Die sofortige Beschwerde kann wegen prozessualer Überholung unzulässig sein oder werden. Hat das Beschwerdegericht sachlich über die sofortige Beschwerde entschieden, ist eine erneut eingelegte sofortige Beschwerde unzulässig (BGH WM 22, 520 Rz 12, 14). Bei Einlegung und Begründung des Rechtsmittels müssen außerdem die Prozesshandlungsvoraussetzungen gegeben sein (Partei- und Prozessfähigkeit, ggf die Postulationsfähigkeit des Verfahrensbevollmächtigten, Vertretungsmacht). Hinsichtlich der Prozessfähigkeit ist zu beachten, dass auch eine Partei, der Prozessfähigkeit in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen kann, um eine andere Beurteilung zu erreichen (BGH WM 21, 346 Rz 6). Begründet ist die sofortige Beschwerde, wenn das Beschwerdegericht im Ergebnis anders entscheidet als das Ausgangsgericht. § 567 I regelt die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde, die Voraussetzungen dafür also, unter denen die ZPO die sofortige Beschwerde ihrer Art nach überhaupt eröffnet. Abs 2 ordnet für die Beschwerde gegen Kostenentscheidungen eine Mindestbeschwer von 200 EUR an. Abs 3 betrifft die Statthaftigkeit der Anschlussbeschwerde.

I. Statthaftigkeit (Abs 1).

 

Rn 9

Ob die sofortige Beschwerde eröffnet ist, wird durch das Enumerationsprinzip (Abs 1 Nr 1) einerseits, eine beschränkte Generalklausel (Abs 1 Nr 2) andererseits bestimmt. Die sofortige Beschwerde findet zum einen dann statt, wenn dies in der ZPO sowie in anderen Gesetzen, die auf die ZPO verweisen (vgl etwa §§ 4, 6 InsO, § 17a IV 3 GVG für Entscheidungen der Amts- und Landgerichte, §§ 95, 96 ZVG), ausdrücklich angeordnet ist. Auf den Gegenstand der Entscheidung kommt es hier nicht an, wohl aber gelegentlich auf ihren Inhalt (zB §§ 46 II, 127 II, III). Zum anderen ist sie statthaft, wenn ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist, ohne dass eine mündliche Verhandlung erforderlich war. Nach § 128 IV ist dies bei Entscheidungen, die nicht in Urteilsform ergehen, stets der Fall, soweit nichts anderes bestimmt ist. Darf eine Entscheidung nur aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, ist die sofortige Beschwerde statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist (also Nr 1 eingreift); fehlt eine solche Bestimmung, kann eine Überprüfung allenfalls iRd Rechtsmittels gegen die Hauptsacheentscheidung erfolgen. Ob tatsächlich eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, ist ohne Belang. Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift sind sowohl Beschlüsse des Gerichts (des Kollegiums oder des Einzelrichters) als auch Verfügungen des Vorsitzenden (nach BTDrs 14/4722, 110 auch Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters; vgl dazu aber § 573). Durch die Entscheidung muss ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden sein. ›Verfahren‹ ist der jeweils anhängige Rechtsstreit. Die Partei muss einen Antrag gestellt haben (vgl BGH NJW 15, 1308 Rz 21; BGHZ 227, 1 = WM 20, 1880 Rz 12). VAw zu treffende Entscheidungen sind auch dann nicht anfechtbar, wenn die Partei eine bestimmte Maßnahme angeregt hatte, das Gericht der Anregung aber nicht gefolgt war (BGH MDR 04, 698, 699; NJW 05, 143, 144; MDR 09, 159, 160 Rz 12; WRP 14, 590 Rz 8 f; FamRZ 16, 1679 Rz 14 ff; VersR 17, 908 Rz 9; NJW 20, 1074 Rz 11; WM 21, 705 Rz 12). Der Antrag muss schließlich zurückgewiesen worden sein. Nur der Antragsteller ist durch eine ihn belastende Entscheidung beschwert. Dass die Partei einem Antrag des Gegners entgegengetreten ist, reicht nicht aus. Es fehlt dann an einem zurückgewiesenen Verfahrensgesuch (BGH MDR 16, 1286 [BGH 22.06.2016 - XII ZB 142/15] Rz 16; 20, 878 Rz 23; RGZ 46, 366, 367; Karlsr MDR 07, 236). Nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind instanzielle Anordnungen zur Beweiserhebung, etwa der Beweisbeschluss (BGHZ 233, 258 = NJW 22, 2622 Rz 10), die Anforderung eines Auslagenvorschusses (BGH MDR 09, 763), die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens gem § 412 (BGH BauR 10, 832 Rz 5 ff; BauR 11, 1366 Rz 5), die Ablehnung der Anordnung einer Urkundenvorlegung nach § 142 I (BGH VersR 17, 908), der Beschluss über die Durch- oder Fortführung eines selbstständigen Beweisverfahrens (BGH NJW-RR 22, 1533 [BGH 15.09.2022 - V ZB 71/21] Rz 6), die Ablehnung einer Weisung an den Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren (BGH NJW 20, 1074 [BGH 01.10.2019 - VI ZR 164/18] Rz 9), die Bestimmung einer Klagefrist nach § 494a (BGH NJW-RR 10, 1144 Rz 9). Überprüft werden derartige Anordnungen iRd Anfechtung der Endentscheidung. Nur in Fällen einer drohenden irreversiblen Verletzung von Grundr...

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