Gesetzestext
(1) Der Mahnbescheid wird dem Antragsgegner zugestellt.
(2) Die Geschäftsstelle setzt den Antragsteller von der Zustellung des Mahnbescheids in Kenntnis.
A. Grundlagen.
Rn 1
Der MB ist noch kein Vollstreckungstitel. Dieser, der VB, (§ 794 I Nr 4) folgt ohne weitere Vorwarnung. Deshalb ist die Zustellung an den Ag für dessen Schutz von grundlegender Bedeutung.
Rn 2
Der MB wird, da sämtliche Mahngerichte automatisiert arbeiten, grds in maschinell erstellter Ausfertigung zugestellt (§ 703b I und § 692 Rn 17). Demgemäß ist auf dem MB aufgedruckt: ›Maschinell erstellte Ausfertigung, ohne Unterschrift gültig (§ 703b I)‹.
B. Zustellung.
I. Allgemeines.
Rn 3
§ 693 I schreibt Zustellung vor. Deshalb ist der MB gem § 166 II vAw zuzustellen. Der ASt darf unmittelbar dem Ag zustellen lassen, selbst wenn der Ag einen Rechtsanwalt benannt hat; § 172 I greift nicht, denn ein gerichtliches Verfahren ist noch nicht anhängig (BGH 8.2.11 – VI ZR 330/09 – Rz 14). Unwirksamkeit der Zustellung an eine prozessunfähige Person (§ 170 I 2) kann gem § 189 dadurch geheilt werden, dass das zuzustellende Schriftstück dem gesetzlichen Vertreter tatsächlich zugeht (BGH 12.3.15 – III ZR 207/14).
Rn 4
Die Wirkung der Zustellung – insb Hemmung der Verjährung nach § 204 I Nr 3 BGB – wird, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, auf den Eingang des Mahnantrags vorverlegt. ›Demnächst‹ ist wie ›alsbald‹ (§ 696 III) nicht rein zeitlich zu verstehen (BGH NJW 08, 1672). Die Rückwirkungsregel soll die Partei vor einer verzögerlichen Sachbehandlung schützen, die sie nicht zu vertreten hat (BGH NJW 08, 1672). Unwirksame Zustellung des MB hindert Verjährungshemmung nicht, wenn der ASt für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Ag in unverjährter Zeit von dem Erlass des MB und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird (BGH 26.2.10 – V ZR 98/09). Zuzurechnen sind dem Kl alle Verzögerungen, die er oder sein Prozessbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können (BGH NJW 08, 1672). Auch von der Partei zu vertretende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen, gerechnet vom Tag des Ablaufs der Verjährungsfrist, sind regelmäßig geringfügig und bleiben deshalb außer Betracht (BGH 21.3.22 – VIa ZR 275/21 = NJW 22, 2196). Für die Behebung eines Mangels (zB schlechte Druckqualität des Barcodes) nach einer Zwischenverfügung ist die Monatsfrist des § 691 II heranzuziehen (BGH 12.1.11 – VIII ZR 148/10 = NJW 11, 842).
II. Zustellungsfehler.
Rn 5
Ein größeres Mahngericht veranlasst in einem Jahr mehr als zwei Mio Zustellungen. Fällt bei dieser Menge dennoch an einer Zustellungsurkunde ein Umstand auf, wonach die Zustellung rechtlich mangelhaft abgewickelt worden sein könne, wird geprüft, ob eine neue Zustellung zu versuchen ist. BGH NJW 90, 176 fordert bei erkannten Zustellungsmängeln die Neuzustellung. ›Zumindest‹ ist der ASt durch den Urkundsbeamten auf die ihm bekannten Umstände der Zustellung und ihrer Beurkundung und die von ihm gehegten Bedenken gegen eine formgerechte Zustellung hinzuweisen, um dem ASt eine eigene Überprüfung der Rechtslage und ggf einen Antrag auf erneute Zustellung zu ermöglichen (BGH NJW 90, 176 [BGH 29.06.1989 - III ZR 92/87], Rz 17). Diese Entscheidung hat sich noch mit der Zustellung eines ›Vollstreckungsbefehls‹ (heute: VB) befasst. Sie wird im automatisierten Mahnverfahren nur begrenzt verwendbar sein. Die fehlerhafte Zustellung war erkannt worden. Deshalb war nicht auf das Maß der Prüfungspflicht des Urkundsbeamten einzugehen gewesen. Ist oder wird eine Mahnsache Nicht–EDV-Fall, so gibt es dazu eine ›Papierakte‹. Dann mag es dem Urkundsbeamten und dem Rechtspfleger vor weiteren Entscheidungen verfahrenstechnisch möglich sein, eine Postzustellungsurkunde auf Mängel durchzusehen. Da es aber auch bei Nicht-EDV-Verfahren noch um Massen geht, wird sich die Überprüfung darauf beschränken, ob Fehler im Ausfüllen des Formulars augenfällig sind. Die weitaus größere Menge der fehlerfrei automatisiert durchlaufenden Verfahren wird nicht mit Postzustellungsurkunden auf Papier behandelt. Die Zustellungsurkunden gehen zusätzlich zur Papierurkunde in elektronischer Form ein und werden sogleich elektronisch verarbeitet. Ein Fehler in der Zustellung könnte allenfalls bei entsprechender Programmierung erkannt werden.
Rn 6
Der Eingang der Zustellungsurkunde wird durch das EDV-Programm überwacht. Beim Ausbleiben nach festgelegter Frist wird das Zustellunternehmen – notfalls wiederholt – erinnert und kostenfreie Neuzustellung ausgelöst. Sofern der Kläger alle von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insb den Gerichtskostenvorschuss einbezahlt hat, ist er grds nicht mehr gehalten, das gerichtliche Verfahren zu kontrollieren und durch Nachfragen auf beschleunigte Zustellung hinzuwirken (BGH 21.3.22 – VIa ZR 275/21 = NJW 22, 2196). BGH NJW-RR 06,1436 [BGH 27.04.2006 - I ZR 237/03] hatte verlangt, dass der ASt beim Mahngericht nach Ablauf einer je nach den Umständen des Einzelfalls...