Rn 4
Abs 1 S 2 und Abs 2 enthalten allgemeine Pfändungsverbote, die aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen, deren Verletzung jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Pfändung führt. Daneben bestehen spezielle Pfändungsbeschränkungen (zB §§ 811 ff, 850 ff).
I. Überpfändung (Abs 1 S 2).
Rn 5
Das Verbot der Überpfändung dient dem Schutz des Schuldners und ist ein Schutzgesetz iSd § 823 II BGB (BGH NJW 85, 1155, 1157 [BGH 13.12.1984 - IX ZR 89/84] mwN). Hiernach darf nur so viel gepfändet werden, dass der absehbare Verwertungserlös nicht dasjenige übersteigt, was zur Befriedigung der Forderung des Gläubigers erforderlich ist. Eine Überpfändung ist nicht nur bei körperlichen Sachen, sondern auch bei der Vollstreckung in Forderungen und sonstige Rechte verboten. Da sich der Wert, insb die Einbringlichkeit von Forderungen oftmals nicht zuverlässig abschätzen lässt, ist eine Vollpfändung oder Pfändung mehrerer Forderungen allerdings auch dann zulässig, wenn der Nennbetrag der Forderung(en) den zu vollstreckenden Betrag übersteigt. Abs 1 S 2 greift aber dann ein, wenn eine positive Auskunft des solventen Drittschuldners oder eine erkennbar hinreichende Sicherheit für die Forderung vorliegt. Damit eine absehbare Überpfändung festgestellt werden kann, muss der GV vor der Pfändung nicht nur den voraussichtlichen Verwertungserlös, sondern auch die Forderung des Vollstreckungsgläubigers selbst berechnen bzw die Berechnung des Gläubigers überprüfen (vgl § 80 I GVGA). Fortlaufende Zinsen sind dabei bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Verwertung des Pfandobjekts anzusetzen. Hinzuzusetzen sind schließlich die Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788). Ist nur ein einziger (pfändbarer) Gegenstand vorhanden, hindert das Verbot der Überpfändung dessen Pfändung nicht. Auf die Immobiliarvollstreckung ist § 803 I 2 nicht entsprechend anwendbar (München Beschl v 15.6.16 – 34 Wx 210/16 Rz 19 f mwN).
Rn 6
Das Verbot der Überpfändung betrifft nicht den Fall, dass der Gläubiger gegen mehrere Gesamtschuldner jeweils wegen der ganzen Vollstreckungsforderung die Zwangsvollstreckung betreibt. Wird der Gläubiger befriedigt, können die anderen Gesamtschuldner ggf gem § 767 vorgehen. Das Vollstreckungsorgan darf dementsprechend die Vornahme der Pfändung nicht von der Vorlage aller gegen die Gesamtschuldner erwirkten Vollstreckungstitel abhängig machen (hL vgl Wieczorek/Schütze/Lüke Rz 47).
Rn 7
Zeichnet sich nach der Pfändung durch den GV ab, dass der voraussichtliche Erlös zur Befriedigung des Gläubigers nicht ausreicht, so muss dieser auch ohne eine neue Weisung des Gläubigers eine Nachpfändung vornehmen. Dies geschieht etwa, indem der GV weitere, bisher nicht gepfändete Sachen im Wege des § 808 pfändet. Ein schuldhaftes Unterlassen der Nachpfändung kann Amtshaftungsansprüche begründen.
II. Nutzlose Pfändung (Abs 2).
Rn 8
Das Verbot der nutz- oder zwecklosen Pfändung dient sowohl dem Schutz des Schuldners, nämlich gegen Verschleuderung und nicht gebotene Zerschlagung seines Vermögens als auch dem Schutz des Gläubigers vor unnötigen Kosten. Das Verbot gilt sowohl bei Erst- als auch bei Anschlusspfändung (§ 826). Letztere muss gem Abs 2 unterbleiben, wenn schon eine Erstpfändung unzulässig wäre. Die Tatsache, dass eine vorrangige Pfändung vorliegt, führt nur dann zur Nutzlosigkeit der Anschlusspfändung, wenn keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Verwertungserlös vollständig allein den vorrangigen Gläubigern zugutekommen wird (Wieser DGVZ 85, 37). § 803 II ist nicht entspr auf die Immobiliarvollstreckung anwendbar (BGHZ 151, 384, 386 f; ZIP 15, 1131, 1133 Rz 10).
Rn 9
Um festzustellen, ob eine Pfändung nutzlos iSd Abs 2 ist, muss der GV vor der Pfändung abschätzen, ob der voraussichtliche Erlös die Kosten der Pfändung und Verwertung (einschl Transport- und Lagerkosten) übersteigt. Wird für mehrere Gläubiger gepfändet, ist nicht zu berücksichtigen, dass jeder Gläubiger nur anteilige Befriedigung erlangen kann (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Loyal Rz 13). Hat der Gläubiger selbst ein Gebot oder den Erwerb des Pfandgegenstandes (§ 825) zugesichert, ist dies bei der Ermittlung des voraussichtlichen Verwertungserlöses zu berücksichtigen. Übersteigt das Angebot des Gläubigers die Kosten, kann der GV die Pfändung daher nicht gem Abs 2 ablehnen (hM, s etwa LG Köln DGVZ 88, 60; AG Hamburg-Barmbek JurBüro 17, 383). Gegenstände, die keinen Verwertungserlös erwarten lassen und durch deren Pfändung lediglich Druck auf den Schuldner ausgeübt werden soll (etwa Reservierungskartei eines Hotelbetriebs, vgl Hamm NJW-RR 97, 733, 734 [OLG Hamm 05.11.1996 - 7 U 35/96]; oder ein Kfz-Kennzeichen, vgl AG Neubrandenburg DGVZ 05, 14) dürfen wegen Abs 2 nicht gepfändet werden.