Rn 20
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG) v 22.11.20 (BGBl I, 2466) ist die Dynamisierungsregel umgestaltet worden. Zugleich hat sie in dem entzerrten Aufbau von § 850c eine neue Platzierung erhalten. Erstmals ist durch das Siebte Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen in Abs 2a eine dynamische Anpassungsvorschrift geschaffen worden. Wie schon bislang soll die Regelung ein dauerhaftes Herabsinken der Pfändungsfreibeträge unter das Existenzminimum verhindern. Durch den verkürzten, nunmehr jährlichen Anpassungszeitraum wird dabei dem Schutz des Lebensunterhalts eine erhöhte Bedeutung beigemessen. Die bisherige Bestimmung setzte den Gleichklang der Entwicklung von steuerlichem Grundfreibetrag und Pfändungsfreigrenzen nur zeitlich verzögert um. Dies war insb für Personen mit einem geringen Einkommen belastend (BTDrs 19/19850, 29). Dadurch werden gleichermaßen sozialstaatliche Aufgaben erfüllt wie die Gerichte vor Vollstreckungsschutzanträgen nach § 850f I bewahrt. Die veränderten Pfändungsfreigrenzen gelten kraft Gesetzes und sind vom Drittschuldner zu berücksichtigen, wenn sich die unpfändbaren Beträge zum 1. Juli des jeweiligen Jahres ändern, § 20 III iVm I EGZPO.
Rn 21
Das BMJ macht nach Abs 4 S 1 im BGBl mit der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Abs 1, der Erhöhungsbeträge nach Abs 2 und die in Abs 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge bekannt. Zuletzt ist dies mit der Bekanntmachung zu den Pfändungsfreigrenzen 2022 nach § 850c (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2022 v 25.5.22, BGBl I, 825) erfolgt. Die Beträge werden jeweils zum 1.7. eines jeden Jahres angepasst, Abs 4 S 2 (zu den seit dem 1.7.03 bis zum 1.7.19 erfolgten Erhöhungen vgl 13. Aufl § 850c Rn 21, zu den Erhöhungen 2021 vgl 14. Aufl § 850c Rz 21).
Rn 22
Die Pfändungsfreibeträge werden entspr der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrags nach § 32a I Nr 1 EStG geändert. Dies ist der Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres (vgl BGHZ 166, 48 Rz 23 ff, die übrigen Ausführungen in der Entscheidung zur Bestimmung des ›Vorjahreszeitraums‹ im Rahmen der früheren Zweijahresfrist sind obsolet). Ein nach dem Stichtag erhöhter Steuerfreibetrag führt daher erst im folgenden Anpassungszeitraum zu einer Änderung.
Rn 23
Für die Berechnung ist nach Abs 4 S 2 Hs 2 die am 1.1. des betreffenden Jahres geltende Fassung von § 32a I Nr 1 EStG zugrunde zu legen. Mit dem Zweiten Gesetz zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Zweites Familienentlastungsgesetz – 2. FamEntlastG) vom 1.12.20 (BGBl I, 2616) wurde der Grundfreibetrag zum 1.1.21 auf 9.744 EUR und zum 1.1.22 auf 9.984 EUR angehoben (zu den früheren Erhöhungen vgl 13 Aufl. § 850c Rn 23).
Rn 24
Die maßgebenden Beträge veröffentlicht das Bundesministerium der Justiz im BGBl. Zum früheren Recht hat der BGH ausgesprochen, da die Pfändungsfreibeträge dem veränderten Steuerfreibetrag folgen, besitze die Bekanntmachung lediglich deklaratorische Wirkung. Sie könne deswegen die Pfändungsfreibeträge nicht ändern, wenn die Voraussetzungen von § 850c IIa S 1 nicht vorliegen (BGHZ 166, 48 Rz 22). Dieser Regelungsmechanismus mit einer Verweisung auf das EStG ist im neuen Recht beibehalten worden. Allerdings weicht der Wortlaut von Abs 4 S 2 Hs 1 von der bisherigen Bestimmung in Abs 2a S 1 Hs 1 ab. Früher hieß es, die unpfändbaren Beträge ›ändern sich‹, was einen gesetzlichen Automatismus nahe liegt. Nunmehr werden die Beträge ›angepasst‹, womit ein Ermessen des BMJ angedeutet sein kann. Allerdings ist die Verweisungsregel in Abs 4 S 2 Hs 2 identisch geblieben. Dies ist entscheidend. Es handelt sich weiterhin um eine konstitutive Verweisung, die dem Ministerium keinen Spielraum lässt. Es bleibt damit bei der lediglich deklaratorischen Wirkung der Bekanntmachung. Werden überhöhte Pfändungsgrenzen veröffentlicht, kann sich der Schuldner auf den Vertrauensschutz berufen. Umgekehrt tritt aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung eine Änderung der Pfändungsfreibeträge unter den Voraussetzungen von Abs 2a S 1 selbst dann ein, wenn keine Änderungsbeträge bekannt gemacht worden sind.