Rn 8
Der pfändungsfreie Teil des Arbeitseinkommens ist abhängig vom monatlichen, wöchentlichen oder täglichen Auszahlungsmodus zu berechnen. Welcher Zeitraum gilt, richtet sich nach der arbeitsrechtlichen Bestimmung zwischen Schuldner und Drittschuldner und darf nicht durch das Vollstreckungsgericht festgelegt werden (LG Bochum Rpfleger 85, 370). Weichen die Arbeitsvertragsparteien hiervon ab, ist ihre tatsächliche Übung maßgebend. Selbst wenn die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach Tagessätzen berechnet wird, ist der Pfändungsschutz nach der Periode zu bestimmen, für die das Arbeitsentgelt zu leisten ist (BSG NJW 93, 811, 812). Bei längerfristigen Abrechnungsperioden, etwa des (Zahn)Arztes ggü der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung (vgl BGHZ 96, 324, 326 ff; dazu § 850 Rn 30), ist die Vergütung auf die Monatstabelle umzurechnen. Ggf kann der Arzt auch nach § 850f I geschützt werden. Die Auszahlungsfrist ist auch maßgebend, wenn der Schuldner nicht im gesamten Zeitraum gearbeitet hat (BAG ZInsO 09, 1412 Rz 19). Dies gilt, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Ende des Zahlungszeitraums beendet wird oder der Schuldner aus anderen Gründen, wie Fehltagen, nicht während der gesamten Periode arbeitet (Wieczorek/Schütze/Lüke § 850c Rz 5; Zö/Herget § 850c Rz 3), denn es kommt hier nicht auf den Leistungsumfang an. Sein Arbeitseinkommen ist ggf auf Antrag gem § 850e Nr 2 um andere Einkünfte zu ergänzen (ArbG Frankfurt aM NJW-RR 99, 723; St/J/Würdinger § 850c Rz 13; aA Schaub/Koch § 92 Rz 54, Aufteilung nach Tagen).
Rn 9
Nachzahlungen werden dem Zeitraum zugerechnet, für den, nicht in dem sie gezahlt werden (BGH NZI 13, 194; LAG Mecklenburg-Vorpommern NZI 19, 597 [LAG Mecklenburg-Vorpommern 20.03.2019 - 3 Sa 186/18]; St/J/Würdinger § 850c Rz 9; Zö/Herget § 850c Rz 3; Gottwald/Mock § 850c Rz 10; Ahrens NZI 11, 265, 269; ders VuR 14, 117; s.a. BVerwG BeckRS 14, 47365). Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut von Abs 1. Sie werden gem § 832 von der Beschlagnahme für die maßgebende Periode erfasst. Daher sind die unterbliebenen Lohnabrechnungen nachzuholen und die für jeden Monat pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens neu zu berechnen (ArbG Wetzlar AP Nr 1 zu § 850i; AG Neuburg a d Donau JurBüro 16, 444). Entspr gilt grds auch für Nachzahlungen von Sozialleistungen einschl BAföG (BGH NZI 13, 194; LSG Sachsen VuR 15, 274 m Anm Kohte; Ahrens ZVI 18, 173, 174). Bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden infolge der gesetzlichen Fiktion des § 11 III 2 SGB II als Nachzahlung zufließende Einnahmen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden, zu den einmaligen Einnahmen gerechnet. Diese Leistungen sind daher grds in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen, § 11 III 1 SGB II. Allerdings kommt eine gleichmäßige Aufteilung für einen Zeitraum von sechs Monaten in Betracht, § 11 III 4 SGB II. Mit dieser Regelung soll ausgeschlossen werden, dass Nachzahlungen nur im Monat des Zuflusses angerechnet werden können (BTDrs 18/8041, S 33). Die Vorschrift betrifft aber allein die Bemessung der laufenden Grundsicherung. Für eine Aufrechnung oder Verrechnung iSd §§ 51, 52 SGB I bleibt es bei den dort vorgesehenen Beschränkungen nach Maßgabe insb von § 54 IV SGB I. Aufgrund dieser Norm sind die Pfändungsschutzregeln für das Arbeitseinkommen anzuwenden und damit auch die Grundsätze zur Behandlung von Nachzahlungen. Für rückwirkende Tariflohnerhöhungen gilt § 833 (Stöber/Rellermeyer Rz C.239). Der pfändbare Teil des Weihnachtsgelds, § 850a Nr 4, ist dem Monat hinzuzurechnen, in dem die Pfändung erfolgt. Sonderzahlungen sind dagegen auf den Zeitraum umzurechnen, Jahresprämien also auf das Jahr, für das sie gezahlt werden (Gottwald/Mock § 850c Rz 10; Anders/Gehle/Nober ZPO § 850c Rz 3).
Rn 10
Im Übrigen sind die Einkünfte gem § 850e zu berechnen. Abzustellen ist damit auf das nach § 850e Nr 1 zu bestimmende Nettoeinkommen (St/J/Würdinger § 850c Rz 8). Zudem sind mehrere Arbeitseinkommen nach § 850e Nr 2 und Ansprüche auf laufende Sozialleistungen nach § 850e Nr 2a zusammen- sowie Naturalleistungen hinzuzurechnen, § 850e Nr 3. Vereinbaren Schuldner und Drittschuldner, dass das Arbeitsentgelt nicht ausbezahlt, sondern für die Zukunft als Darlehen geschuldet wird, ist eine gesonderte Pfändung des Rückzahlungsanspruchs aus § 488 I 2 BGB erforderlich, worauf die §§ 850 ff unanwendbar sind (MüKoZPO/Smid § 850c Rz 9). Abgetretene, verpfändete oder vorgeschossene Bezüge werden mit dem ausgezahlten Entgelt zusammengerechnet, um die wirksamen Verfügungen zu bestimmen (Musielak/Voit/Flockenhaus § 850c Rz 2).