Rn 28

Die summenmäßige Berechnung der unpfändbaren Bezüge obliegt dem Drittschuldner. Er muss, wie bei der Entgeltabrechnung, das Nettoeinkommen bestimmen und die Freibeträge für zu berücksichtigende Unterhaltsempfänger berechnen. Um eine angemessene Risikoverteilung zu ermöglichen, muss der Drittschuldner bei ihm vorhandene Informationen heranziehen, doch hat er keine Nachforschungen anzustellen (St/J/Würdinger § 850c Rz 21f). Der Drittschuldner hat dabei die ihm bekannten Umstände zu beachten (LAG Hamm BeckRS 15, 71471). Falls keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, darf der Drittschuldner von den Angaben des Schuldners etwa im Lebenslauf oder den Daten der Lohnsteuerkarte (LAG Hamm BeckRS 11, 78953; BeckRS 15, 71471) bzw den Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM) ausgehen. Allerdings sind die Angaben nicht bindend, da sie mit den Freibeträgen auf steuerliche und nicht vollstreckungsrechtliche Kriterien abstellen. Zum Schutz des Drittschuldners genügt die entspr Anwendung von § 407 BGB. Auszugehen ist von der angegebenen Steuerklasse. Eine andere Steuerklasse ist nicht vom Drittschuldner, sondern allein vom Gläubiger im Verfahren nach § 850h (§ 850h Rn 21) einzuführen. Für andere als diese steuerliche Angabe darf der Drittschuldner sich nicht auf die Lohnsteuerkarte verlassen, weil sie etwa die Zahl der Unterhaltsempfänger nicht verlässlich abbildet. Mit der Zahl 1 können steuerliche Kinderfreibeträge von 0,5 für zwei Kinder, aber auch ein voller Kinderfreibetrag für ein Kind ausgewiesen sein (Stöber/Rellermeyer Rz C.255). In Zweifelsfällen wird er auch den bei ihm beschäftigten Schuldner befragen müssen (Karlsr JurBüro 09, 553; ArbG Kempten JurBüro 12, 494; MüKoZPO/Smid § 850c Rz 14; ThoPu/Seiler § 850c Rz 2; Anders/Gehle/Nober ZPO § 850c Rz 9; aA Wieczorek/Schütze/Lüke § 850c Rz 23). Dem Drittschuldner obliegt nicht die Prüfung materieller Unterhaltsfragen. Ohne eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts darf er nicht von sich aus einen unterhaltsberechtigten Angehörigen des Schuldners mit eigenen Einkünften gem § 850c VI ganz oder tw bei der Berechnung unberücksichtigt lassen (Karlsr JurBüro 09, 553, 554). Auch im Einziehungsprozess darf das Prozessgericht seine Entscheidung über die Berücksichtigung von Angehörigen mit eigenem Einkommen nicht an die Stelle des Vollstreckungsgerichts setzen (Karlsr JurBüro 09, 553). Unterlaufen ihm dann bei der Berechnung Fehler, gehen sie zu seinen Lasten. Eine Überzahlung an den Schuldner erfüllt ebenso wenig ggü dem Vollstreckungsgläubiger wie eine überhöhte Auskehrung ggü diesem Gläubiger im Verhältnis zum Schuldner eine Erfüllung bewirkt (St/J/Würdinger § 850c Rz 23f). Bestreitet der Gläubiger die Zahlung, trägt er dafür die Darlegungs- und Beweislast (LG München I JurBüro 15, 270), die durch die sekundäre Darlegungslast des Schuldners gemildert wird (zum klarstellenden Beschluss bei unterlassener Unterhaltszahlung Rn 26).

 

Rn 29

Ändern sich im Verlauf der Pfändung maßgebliche Umstände, etwa weil eine Unterhaltsverpflichtung entfällt, muss der Drittschuldner den pfändungsfreien Betrag neu berechnen, sobald er von der Änderung Kenntnis erlangt. Ebenso muss er die nach Abs 2a veränderten Tabellensätze berücksichtigen. Leistet der Drittschuldner in Unkenntnis der erheblichen Faktoren einen zu niedrigen Betrag an den Gläubiger, ist er entspr § 407 BGB geschützt. Zahlt er diesem einen überhöhten Betrag, ist der Drittschuldner entspr § 409 BGB geschützt (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 850c Rz 9).

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