Rn 66
Inwieweit die Parteien den Rechtsstreit auch in der Rechtsmittelinstanz einseitig oder übereinstimmend für erledigt erklären können, ist umstr. Zumindest für die Berufungs- und Beschwerdeinstanz ist allgemein anerkannt, dass einseitige und übereinstimmende Erledigungserklärungen nach allgemeinen Grundsätzen möglich sind (LG Tübingen JurBüro 01, 157; MüKoZPO/Schulz Rz 40). Dass die Erledigungserklärung schon in der ersten Instanz hätte abgegeben werden können, ist unschädlich, kann aber ggf im Rahmen der Kostenentscheidung Berücksichtigung finden (BGH MDR 16, 482 [BGH 11.12.2015 - V ZR 26/15]; Frankf Beschl v 19.12.16 – 6 U 185/16 – juris). Die Erledigung der Hauptsache kann auch noch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde, erklärt werden (BGH NJW-RR 07, 694 [BGH 01.03.2007 - I ZR 249/02], WRP 10, 759 [BGH 11.02.2010 - I ZR 154/08]; MDR 18, 423; NJW 21, 1887). Besonderheiten ergeben sich lediglich insoweit, als die Zulässigkeit des jeweiligen Rechtsmittels – also insb auch die Beschwer – als zusätzliche Voraussetzung einer wirksamen Erledigungserklärung geprüft werden muss (BGHZ 50, 197). Ein unzulässiges Rechtsmittel ist trotz übereinstimmender Erledigungserklärungen zu verwerfen (BAG MDR 15, 1306 [BAG 23.09.2015 - 5 AZR 290/15 (F)]). Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht der vorherige Eintritt der Erledigung nicht unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Beschwer entgegen (BGH NJW 75, 539; Habscheid JZ 63, 579, 580). Etwas anderes gilt, wenn der Bekl die Leistung, zu der er verurteilt wurde, nach Urteilserlass vorbehaltlos erbringt (BGH NJW 00, 1120; Köln OLGR 04, 181; Hamm NJW-RR 91, 1343). Sofern der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz für erledigt erklärt wird, verlieren die vorinstanzlichen Urteile ihre Wirkung und sind aufzuheben (Zö/Althammer Rz 50). Wird die Erledigung erst in der Berufungsinstanz erklärt, ist das Verfahren gem § 522 II anwendbar (Rostock MDR 06, 947). Erklären die Parteien den Streitgegenstand der Hauptberufung in der Hauptsache für erledigt und beantragen sie insoweit eine Kostenentscheidung nach § 91a, verliert eine Anschlussberufung dadurch nicht ihre Wirkung (BGH NJW 86, 852). § 91a findet bei Rücknahme des Hauptrechtsmittels keine entspr Anwendung auf die Kosten der unselbstständigen Anschlussberufung. Diese sind vielmehr nach § 516 III 1 grds dem Berufungskläger aufzuerlegen (BGH NJW-RR 05, 727 [BGH 26.01.2005 - XII ZB 163/04]; 06, 1147 [BGH 07.02.2006 - XI ZB 9/05]; aA Frankf NJW-RR 93, 768 [OLG Frankfurt am Main 14.10.1992 - 2 UF 1/92]; 95, 945 [OLG Düsseldorf 10.02.1994 - 6 U 35/93]). Hat sich der Rechtsstreit im Berufungsverfahren durch Teilversäumnisurteil, Teilvergleich und im Übrigen nach § 91a in der Hauptsache insgesamt erledigt, ist über die Kosten der beiden Tatsachenrechtszüge einheitlich durch Kostenschlussurteil zu entscheiden (Saarbr NJW-RR 17, 473 [OLG Saarbrücken 12.01.2017 - 4 U 4/15]).
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Auch in der Revisionsinstanz sind übereinstimmende Erledigungserklärungen zulässig (BGHZ 106, 359 = NJW 89, 2885; BGHZ 123, 264 = NJW 94, 256; BGH NJW-RR 12, 688; AGS 22, 443). Diese führen dazu, dass gem § 91a über die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden ist (BGH VersR 07, 84). Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist maßgeblich, wie sich die Revisionsentscheidung auf die Kostenentscheidung der Vorinstanzen ausgewirkt hätte (BGH NJW-RR 04, 377; BauR 03, 1075). Umstr ist dagegen, unter welchen Voraussetzungen auch eine einseitige Erledigungserklärung zulässig ist. Das ist jedenfalls der Fall, wenn das erledigende Ereignis unstr ist, da das Revisionsgericht in diesem Fall keine neuen tatsächlichen Feststellungen treffen muss (BGHZ 106, 259 = NJW 89, 2885; BGH NJW-RR 93, 1123). Das gleiche gilt, wenn die einschlägig relevanten Fakten bereits durch das Instanzgericht festgestellt sind (BGH NJW 65, 537). Unschädlich ist, dass die Erledigungserklärung schon im Berufungsverfahren hätte abgegeben werden können (BGHZ 106, 359 = NJW 89, 2885). Etwas anderes gilt, wenn das erledigende Ereignis bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz eingetreten ist (BAG MDR 08, 465). Bestreitet der Bekl dagegen das erledigende Ereignis, kann der Vortrag des Kl nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sein (Smid ZZP 97, 245, 299; Musielak/Flockenhaus Rz 7; aA MüKoZPO/Schulz Rz 97). Wird der Rechtsstreit in der Hauptsache im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde einseitig für erledigt erklärt, ist zunächst die Zulässigkeit und Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde zu prüfen. Die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde sind auch bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a zu berücksichtigen (BGH MDR 18, 423).