Gesetzestext

 

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Privatautonomie besteht in den Schranken der gesetzlichen Ordnung. Missbilligt eine Norm ein Rechtsgeschäft und ordnet sie die Rechtsfolge selbst an (lex perfecta), wie die §§ 248 I, 307–310, 311b II, V, 723 III, 925 II, 1136, bedarf es keiner weiteren zivilrechtlichen Transformation (BGH NJW 00, 1187 [BGH 14.12.1999 - X ZR 34/98]). Enthält die Verbotsnorm dagegen keine Rechtsfolgenanordnung (lex imperfecta), kann die Nichtigkeit aus § 134 abgeleitet werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift tritt die Nichtigkeitsfolge ein, falls sich aus dem Verbotsgesetz nichts anderes ergibt. § 134 stellt damit eine Auslegungsregel zugunsten der Nichtigkeitsfolge auf und besitzt einen selbstständigen Aussagegehalt (BGHZ 45, 326; BRHP/Wendtland Rz 2; aA Flume 341; s.u. Rn 18).

 

Rn 2

Die Vorschrift dient dem Schutz der Allgemeinheit (BGHZ 13, 182), aus dem als Reflex ein Individualschutz resultieren kann. Dazu ist der Inhalt des Rechtsgeschäfts zu beurteilen (BGHZ 110, 175), also eine Inhaltskontrolle durchzuführen (Staud/Sack/Seibl § 134 Rz 1). Abzustellen ist va darauf, ob der mit dem Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg verbotswidrig ist (BGH NJW 74, 1377 [BGH 07.05.1974 - VI ZR 138/72]).

B. Voraussetzungen.

I. Rechtsgeschäft.

 

Rn 3

§ 134 gilt für Rechtsgeschäfte aller Art. Dazu gehören einseitige Rechtsgeschäfte, wie Testamente und Kündigungen, Verträge, grds auch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, und andere mehrseitige Rechtsgeschäfte, etwa Beschlüsse (BRHP/Wendtland Rz 3). Kein Rechtsgeschäft iSv § 134 bilden die einzelnen auf den Abschluss eines Vertrags gerichteten Willenserklärungen (Angebot und Annahme). Soweit die Erklärungen missbilligte Rechtsfolgen auslösen, ist eine entspr Anwendung von § 134 möglich.

 

Rn 4

Auf öffentlich-rechtliche Verträge ist nach § 59 I VwVfG die Regelung des § 134 entspr anwendbar. Die Nichtigkeit soll aber nur eintreten, wenn eine zwingende Norm Inhalt und Erfolg des öffentlich-rechtlichen Vertrags verbietet und ihr Normzweck die Nichtigkeit im öffentlichen Interesse verlangt (BVerwGE 89, 20 [BVerwG 03.09.1991 - BVerwG 1 C 48/88]; BVerwG DVBl 90, 438 [BVerwG 01.12.1989 - BVerwG 8 C 44.88]; AnwK/Looschelders Rz 8). Unanwendbar ist § 134 bei Verwaltungsakten (Soergel/Hefermehl Rz 6).

II. Gesetzliches Verbot.

1. Gesetz.

a) Normcharakter.

 

Rn 5

Gesetz iSd § 134 ist jede Rechtsnorm, Art 2 EGBGB. Das Verbot kann sich aus einem formellen Gesetz des Bundes oder eines Landes ergeben (BGH NJW 86, 2361; WM 03, 791). Erfasst werden auch Rechtsverordnungen und Satzungen öffentlich-rechtlicher Institutionen, die durch höherrangiges Recht legitimiert sind (Taupitz JZ 94, 222), nicht aber Vorschriften über einen Haushaltsplan (BGHZ 201, 32 Tz 10). Dazu gehören die Satzungen der Gemeinden und Berufsordnungen, etwa der Ärztekammern (BGH NJW 86, 2361 [BGH 22.01.1986 - VIII ZR 10/85]; Erman/Arnold Rz 8). Keine Gesetze sind Satzungen privatrechtlicher Institutionen, Spielordnungen von Sportverbänden (BGH NJW 00, 1028 [BGH 27.09.1999 - II ZR 377/98]), Standesrichtlinien (BVerfG NJW 88, 192), Handelsbräuche und Verkehrssitten (BRHP/Wendtland Rz 7 f). Gesetzliche Vorschriften iSv § 134 enthalten die normativen Regelungen in Tarifverträgen (BGH NJW 00, 1187 [BGH 14.12.1999 - X ZR 34/98]; BAG NJW 99, 2542 [BAG 10.02.1999 - 2 AZR 422/98]) und Betriebsvereinbarungen (LAG Saarbrücken NJW 66, 2137 [LAG Saarland 02.02.1966 - 1 Sa 60/65]; aA MüKo/Armbrüster § 134 Rz 31; s.a. AnwK/Looschelders Rz 25); Gewohnheitsrecht nur, wenn es unmissverständlich ein bestimmtes Rechtsgeschäft versagt (BGH NJW 07, 2106 [BGH 27.02.2007 - XI ZR 195/05] Tz 24).

 

Rn 6

Allg Rechtsgrundsätze können ein Verbotsgesetz iSv § 134 enthalten. Dies wird für den Verstoß einer Schiedsklausel gegen das Gebot überparteilicher Rechtspflege (BGHZ 51, 262; 54, 400) und den Grundsatz, dass die öffentliche Verwaltung nichts verschenken darf (BGHZ 47, 40), angenommen (Bork AT Rz 1091; aA Staud/Sack/Seibl § 134 Rz 22). Erforderlich ist eine hinreichende Konkretisierung. Fehlt es daran, kann die Nichtigkeit aus § 138 resultieren.

b) Besondere Normen.

 

Rn 7

Das Verfassungsrecht des GG wirft mit seiner Einwirkung auf das Privatrecht zahlreiche Fragen auf. Die Koalitionsfreiheit aus Art 9 III GG begründet eine unmittelbare Drittwirkung. § 134 ist unanwendbar, weil Art 9 III 2 selbst die Nichtigkeit widersprechender Abreden anordnet. Eine unmittelbare Drittwirkung sehen die Art 38 I 2, 48 II GG vor (BGHZ 43, 387). Überholt ist die ältere Rspr des BAG (NJW 62, 1982; s.a. Otto JZ 98, 854 f), die von einer unmittelbaren Drittwirkung anderer Grundrechte ausgegangen ist. Die Grundrechte wirken über die ausfüllungsbedürftigen Generalklauseln in das Privatrecht hinein (vgl nur BVerfG NJW 94, 36 [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89]; 01, 958 [BVerfG 06.02.2001 - 1 BvR 12/92]). Anstalten des öffentlichen Rechts, wie Sparkassen, sind unmittelbar an Grundrechte gebunden, weswegen die Kündigung des Kontos einer verfassungsfeindlichen, nicht verbotenen Partei (NPD)...

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