Gesetzestext

 

(1) 1Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. 2Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

(2) 1Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. 2Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die durch das 1. EheRG zum 1.7.77 umgestaltete Vorschrift ist an die Stelle der bis dahin geltenden Regelung über die sog Schlüsselgewalt getreten. Dieser lag das Leitbild der Hausfrauenehe zu Grunde, das aufgegeben ist. Die Norm erfasst einen nicht nur auf den Haushalt bezogenen erweiterten Wirkungskreis (›Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie‹). Darüber hinaus kann jeder Ehegatte Geschäfte mit Wirkung auch für den anderen besorgen. Nach I 2 werden dadurch beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet.

 

Rn 2

Die Norm ist verfassungskonform und verstößt insb nicht gegen Art 3 I, 6 I GG (BVerfG NJW 90, 175). Der durch die Gesamthaftung der Eheleute bewirkte Gläubigerschutz (BVerfG aaO; Staud/Voppel Rz 8 mwN) ist ein wichtiger, aber nicht vorrangiger oder gar der alleinige Zweck der Regelung. Die Norm soll weiter dazu dienen, die Kreditwürdigkeit der Familie (Staud/Voppel Rz 12) oder die Chancengleichheit in der Familie zu erhöhen.

B. Voraussetzungen.

I. Ehe.

 

Rn 3

Die Möglichkeit der Verpflichtung auch des anderen Ehegatten besteht nur innerhalb einer wirksamen Ehe, also nicht in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, noch nicht während der Verlobungszeit und nicht mehr nach dem Ehezeitende, wobei es auf den Güterstand nicht ankommt (München NJW 72, 542 [OLG München 25.08.1971 - 12 U 1671/71]).

II. Kein Getrenntleben, III.

 

Rn 4

Nach III gilt die Regelung nicht, wenn die Eheleute getrennt leben. Die Möglichkeit, den anderen mit zu verpflichten, setzt also die Führung eines gemeinsamen Haushalts voraus. Wegen des Trennungsbegriffs kann auf § 1567 verwiesen werden, so dass auch das Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung die Verpflichtungsmöglichkeit entfallen lässt (Staud/Voppel Rz 100 mwN). Haben die Eheleute von Anfang an keinen gemeinsamen Hausstand, treten die Wirkungen des § 1357 überhaupt nicht erst ein (BGH NJW 91, 2958 [BGH 15.05.1991 - VIII ZR 212/90] bei Energielieferungsvertrag).

 

Rn 5

Entscheidend für die Wirkungen der Norm ist allein das Zusammen- bzw Getrenntleben zum Zeitpunkt des Geschäftes. Wird das Getrenntleben beendet und wieder ein gemeinsamer Haushalt begründet, so erfolgt keine Rückwirkung auf während der Trennung geschlossene Geschäfte. Eine erst nach Abschluss des Geschäftes erfolgte Trennung beseitigt umgekehrt die zuvor eingetretenen Rechtswirkungen nicht, auch nicht bei Dauerschuldverhältnissen (hM: BGH FamRZ 13, 1199). Das Vertrauen auf die Verpflichtungsbefugnis ist nicht geschützt (LG Tübingen FamRZ 84, 50; Dörr NJW 89, 813).

III. Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie.

 

Rn 6

Geschäfte iSd Norm sind Rechtsgeschäfte, die nach ihrer Art objektiv der Deckung des privaten Lebensbedarfs dienen, also einen Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft aufweisen, womit an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iRd §§ 1360, 1360a angeknüpft wird (Bremen FamRZ 10, 1080), soweit sie nach außen in Erscheinung tritt. Übersteigt das Erscheinungsbild die tatsächliche Leistungsfähigkeit, so erhöht das den Umfang der möglichen Mitverpflichtung (BGH FamRZ 18, 673). Geschäfte im Berufs- oder Erwerbsbereich fallen unabhängig von Art und Umfang der Tätigkeit nicht darunter (Ddorf OLGR 07, 302 für gewerbliche Mietverhältnisse). Dass ein Ehegatte ausdrücklich im Namen des anderen auftritt, steht der Mithaftung nicht zwingend entgegen (BGH aaO).

 

Rn 7

Auch dann, wenn es sich um Geschäfte zur Deckung des privaten Lebensbedarfs der Familie handelt, kommt eine Mitverpflichtung des Ehegatten nur bei Angemessenheit in Betracht. Diese liegt vor, wenn nach Art und Umfang des Geschäfts eine vorherige Abstimmung der Ehegatten nicht notwendig oder üblich erscheint und idR auch nicht stattfindet (Köln FamRZ 91, 434; Frankf FamRZ 83, 913). Sie fehlt dagegen, wenn die Geschäfte ohne Schwierigkeit zurückgestellt werden können, größeren Umfang aufweisen und eine vorherige Vereinbarung angezeigt ist (MüKo/Roth Rz 20). Maßgebend ist der äußere Zuschnitt des Haushalts, der individuelle, äußerlich erkennbare Konsumstil (BGH FamRZ 85, 576 [BGH 13.02.1985 - IVb ZR 72/83]), wobei hilfsweise auf die bei Familien in vergleichbarer sozialer Lage üblichen Verbrauchsgewohnheiten abzustellen ist (BGH aaO).

 

Rn 8

Von der Norm erfasst sind: Kauf von Lebensmitteln und notwendiger Kleidung (RGZ 61, 78), Kauf von Haushaltsgeräten, Hausrat und hierauf bezogene Reparaturaufträge, Kauf von Spielzeug, Schulbedarf und Geschenken in an...

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