Rn 11

Grds treffen den Schuldner keine Obliegenheiten, den Eintritt der Verjährung des Anspruchs zu verhindern oder den Gläubiger in besonderer Form auf das Risiko hinzuweisen. Dies gilt selbst für Versicherungsverträge (BGH NJW 59, 241) und auch dann, wenn beide Beteiligten irrtümlich von einem späteren Verjährungseintritt ausgegangen sind (Celle NJW 75, 1603, 1604 [OLG Celle 13.01.1975 - 12 U 100/74]). Eine Berufung auf die Unzulässigkeit der Erhebung der Verjährungseinrede (allgem § 242 Rn 41 ff) kommt nur dort in Betracht, wo ein wirklich grober Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt, nicht schon bei einem bloß objektiv pflichtwidrigen Verhalten (BGH NJW 98, 1488, 1489 ff). Dabei kann es iE genügen, dass der Schuldner den Gläubiger nur unabsichtlich von der Wahrung der Verjährungsfrist abgehalten hat (BGH MDR 20, 42 [BGH 13.11.2019 - IV ZR 317/17] Rz 37). Die Berufung auf die Unzulässigkeit der Erhebung der Verjährungseinrede setzt ferner voraus, dass der Gläubiger unverzüglich nach Wegfall der Umstände, die die Nichterhebung der Verjährungseinrede rechtfertigten, Maßnahmen mit verjährungshemmender oder unterbrechender Wirkung ergreift (BGH NJW-RR 13, 569 [BGH 24.01.2013 - IX ZR 108/12] Rz 22). Regelmäßig darf sich der Schuldner nicht mehr als 4 Wochen Zeit lassen (BGH NJW 98, 902, 903 [BGH 04.11.1997 - VI ZR 375/96]; 1488, 1490 [BGH 18.12.1997 - IX ZR 180/96]); § 167 ZPO gilt (BGH NJW 74, 1285). Nachdem nunmehr die meisten Absprachen zwischen Beteiligten, bspw über Erhebung eines Musterprozesses (BAG DB 75, 1420), Vereinbarung der Klärung im einstweiligen Verfügungsverfahren (Hamm WRP 77, 815) und ähnliches, zumindest konkludent eine Vereinbarung über die Verjährungsverlängerung enthalten (§ 202) und der Eintritt in Verhandlungen zu einer Hemmung der Verjährung führt (§ 203), bleibt als wesentlicher Anwendungsbereich der unzulässigen Rechtsausübung die aktive Täuschung des Gläubigers durch den Schuldner im Wege der Identitätstäuschung (BGH NJW-RR 91, 1033, 1034 [BGH 07.05.1991 - XII ZR 146/90]; Ddorf OLG 72, 206) sowie der treuwidrige Verstoß gegen eine Aufklärungspflicht über eine Identitätsänderung (zur Umwandlung s BGH NJW 02, 3110, 3111; auch NJW 08, 2776 Rz 26) übrig. Hinzu treten Fälle, in denen der Schuldner zurechenbar beim Gläubiger die irrige Vorstellung einer längeren als der tatsächlichen Verjährungsfrist erweckte (Frankf NJW-RR 89, 997, 998) oder, sei es auch nur unabsichtlich (BGH 5.11.14 – XII ZB 186/13 Rz 15), iÜ den Gläubiger von der rechtzeitigen Einklagung der Regressforderung abgehalten hat, etwa ihn nach objektiven Maßstäben zur Annahme veranlasst hat, der Anspruch werde auch ohne Rechtsstreit erfüllt oder nur mit Einwendungen in der Sache bekämpft (BGH 1.7.14 – VI ZR 391/13 Rz 41; NJW-RR 11, 208 [BGH 15.07.2010 - IX ZR 180/09] Rz 19; s.a. BGH NJW 08, 2776 [BGH 17.06.2008 - VI ZR 197/07] Rz 31: zu Zahlungen eines Rechtsvorgängers, die ersichtlich in Anerkennung seiner Zahlungsverpflichtung erfolgten; auch NJW-RR 05, 415, 416 [BGH 14.09.2004 - XI ZR 248/03]: zur Zustellungsvereitelung durch Wohnungswechsel). In Fällen, in denen der Schuldner pflichtwidrig eine Schadenersatzansprüche auslösende Pflichtverletzung fortsetzt und nach altem Recht nur objektiv Kriterien für den Fristbeginn galten, wie dies insb bei der Verletzung von Beratungspflichten (Rechtsanwalt/Steuerberater; BGH NJW 12, 2435 [BGH 10.05.2012 - IX ZR 125/10] Rz 58; 15, 3447 Rz 70 ff; NJW-RR 13, 111 [BGH 12.07.2012 - IX ZR 96/10] Rz 10; 114 Rz 6; vgl § 280 Rn 81 f mit § 675 Rn 11, 13 f) oder Architekten (BGH NJW 07, 365 [BGH 26.10.2006 - VII ZR 133/04] Rz 9 ff) vorgesehen war, schützt heute den Mandanten § 199 I Nr 2, sodass § 195 greifen kann (BGH NJW 14, 993 [BGH 06.02.2014 - IX ZR 245/12] Rz 8).

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