Rn 11

§ 199 I Nr 2 fordert neben dem objektiven Kriterium des Entstehens des Anspruchs als weitere Voraussetzung des Verjährungsbeginns die Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis des (geschäftsfähigen) Gläubigers vom Anspruch. Mit diesem subjektiven Kriterium wird die Schärfe der Kürze der Regelverjährung kompensiert. Zur Darlegungs- und Beweislast s § 194 Rn 12.

1. Kenntnis des Gläubigers.

 

Rn 12

Bzgl der Kenntnis der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebenden Umstände kommt es grds auf die Person des Anspruchsinhabers selbst an (BGH NJW 13, 448 [BGH 13.12.2012 - III ZR 298/11] Rz 13). Bei gesetzlicher Vertretung muss sich der Vertretene das Wissen seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen (BGH NJW 14, 1294 Rz 15): Bei nicht Geschäftsfähigen kommt es auf das Wissen des gesetzlichen Vertreters, insb also der Eltern oder eines Vormunds, ggf auch eines Betreuers an (BGH NJW 93, 2614 [BGH 22.06.1993 - VI ZR 190/92]; NJW-RR 05, 69, 70 [BGH 23.09.2004 - IX ZR 421/00]). Bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern reicht die Kenntnis eines Elternteils, ansonsten die des Sorgeberechtigten. Die Kenntnis eines gewillkürten Wissensvertreters reicht aus, wenn diesem die Ermittlung und Durchsetzung des Anspruchs wirksam übertragen worden ist (BGH NJW 07, 1584 Rz 34 ff). Zudem muss sich der Anspruchsinhaber das Wissen eines Dritten entspr § 166 I und nach § 242 als eigenes zurechnen lassen, wenn er den Dritten mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, insb ihm im Zusammenhang mit der Verfolgung des Anspruchs die Kenntnisnahme von bestimmten Tatsachen oder die Vornahme der erforderlichen Tatsachenfeststellungen übertragen hat oder der Dritte nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie ggf weiterzuleiten (BGH 25.10.18 – IX ZR 168/17 Rz 13); in diesen Fällen ist der Dritte als ›Wissensvertreter‹ des Anspruchsinhabers zu behandeln (BGH NJW 07, 1584 [BGH 23.01.2007 - XI ZR 44/06] Rz 35; § 166 Rn 13 ff; zum WEG-Verwalter vgl BGH NJW 14, 2861 [BGH 04.07.2014 - V ZR 183/13] Rz 13 ff; zum RA BGH 25.10.18 – IX ZR 168/17 Rz 14; NJW 20, 2534 [BGH 26.05.2020 - VI ZR 186/17] Rz 15; 17, 949 Rz 14; 13, 611 Rz 26), wenn sich der betreffende Anspruch nicht gerade gegen diejenige Person richtet, deren Wissen zugerechnet werden soll oder mit einem solchen Anspruch gegen den Wissensvertreter in einem so engen Zusammenhang steht, dass die Befürchtung besteht, der Vertreter werde nicht zu einer sachgerechten Verfolgung beitragen (BGH NJW 14, 1294 Rz 20 f; vgl zum Konkurs- oder Insolvenzverwalter BGH NJW-RR 14, 1457 [BGH 17.07.2014 - IX ZR 301/12] Rz 11). Die hierauf gegründete Zurechnung umfasst nicht nur das positive Wissen des Wissensvertreters, sondern auch seine leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis (BGH NJW 12, 447 [BGH 20.10.2011 - III ZR 252/10] Rz 21). Das gilt auch bei Ehegatten (BGH NJW 13, 448 [BGH 13.12.2012 - III ZR 298/11] Rz 13). IÜ ist die Kenntnis eines rechtsgeschäftlichen Vertreters für den Verjährungsbeginn idR unerheblich (BGH 23.1.14 – III ZR 436/12 Rz 15). Im Fall der Drittschadensliquidation kommt es auf den Anspruchsinhaber, und nicht auf die Person des geschädigten Dritten an (BGH NJW 67, 930). Bei Verträgen zugunsten Dritter ist ebenfalls der Anspruchsberechtigte entscheidend, soweit im Ausnahmefall beide forderungsberechtigt sind, kann es zu unterschiedlichem Verjährungsbeginn kommen. Gleiches gilt im Fall einer Mehrheit von Gläubigern nach § 425 II. Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften entscheidet die Kenntnis des bzgl des konkreten Anspruchs zuständigen Bediensteten bei der entscheidungskompetenten Behörde (vgl BVerwG 26.4.12 – 2 C 4/11 Rz 15) von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen (Hamm 16.9.16 – I-9 U 163/15). Wissen anderer Bediensteter ist hier idR unmaßgeblich (BGH NJW 17, 3510 [BGH 25.07.2017 - VI ZR 433/16] Rz 34; 12, 1789 Rz 9, 11; 2644 Rz 13). Sind die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht ggü dem Verletzten und die Regressabteilung bzgl der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen ggü Dritten zuständig, kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grds auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an (BGH 18.10.22 – VI ZR 1177/20, BeckRS 22, 32822 Rz 28); ggf kann grob fahrlässige Unkenntnis (Rn 17) vorliegen (BGH 18.10.22 – VI ZR 1177/20, BeckRS 22, 32822 Rz 45 f; NJW 12, 2644 [BGH 17.04.2012 - VI ZR 108/11] Rz 22). Dem ggü ist im rechtsgeschäftlichen Verkehr einer juristischen Person des Privatrechts aus Gründen des Verkehrsschutzes und der daran geknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation entspr § 166 in weiterem Umfang eine Wissenszurechnung anerkannt (BGH NJW 01, 2535 [BGH 27.03.2001 - VI ZR 12/00]; 96, 1339, 1341 [BGH 02.02.1996 - V ZR 239/94]; § 166 Rn 18 ff): ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?