Gesetzestext

 

(1) 1Hat der Erblasser angeordnet oder ist nach § 2049 anzunehmen, dass einer von mehreren Erben das Recht haben soll, ein zum Nachlass gehörendes Landgut zu dem Ertragswert zu übernehmen, so ist, wenn von dem Recht Gebrauch gemacht wird, der Ertragswert auch für die Berechnung des Pflichtteils maßgebend. 2Hat der Erblasser einen anderen Übernahmepreis bestimmt, so ist dieser maßgebend, wenn er den Ertragswert erreicht und den Schätzungswert nicht übersteigt.

(2) Hinterlässt der Erblasser nur einen Erben, so kann er anordnen, dass der Berechnung des Pflichtteils der Ertragswert oder ein nach Absatz 1 Satz 2 bestimmter Wert zu Grunde gelegt werden soll.

(3) Diese Vorschriften finden nur Anwendung, wenn der Erbe, der das Landgut erwirbt, zu den in § 2303 bezeichneten pflichtteilsberechtigten Personen gehört.

A. Zweck.

 

Rn 1

Die (agrarpolitische) Schutznorm erleichtert dem pflichtteilsberechtigten Übernehmer eines Landguts die Fortführung, indem er dessen Ertragswert, der idR deutlich niedriger als der Verkehrswert ist, für gegen ihn gerichtete Pflichtteilsansprüche ansetzen kann. Der Liquidationswert ist hier nicht die Untergrenze (§ 2311 Rn 16). Ziel der Privilegierung ist es, leistungsfähige überkommene bäuerliche Familienbetriebe zu erhalten (BVerfG NJW 95, 2977, 2979 [BVerfG 14.12.1994 - 1 BvR 720/90]). § 2312 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Geldvermächtnis zum Ausgleich des Pflichtteils angeordnet wird (München FamRZ 07, 507; s.a. BeckOKBGB/Müller Rz 5).

B. Voraussetzungen.

 

Rn 2

Anwendungsbereich des I ist, dass der Erblasser anordnet, nur einer von mehreren Erben (Damrau/Riedel Rz 6) sei berechtigt, das Gut zum Ertragswert zu übernehmen. Dann ist im Zweifel oder bei ausdrücklicher Anordnung bei der Erbteilung das Landgut zum Ertragswert anzusetzen (I 1 iVm § 2049 II). Ein ›Landgut‹ ist eine Besitzung, die eine zum selbstständigen und dauernden Betrieb der Landwirtschaft einschl der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den nötigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist. Sie muss eine gewisse Größe erreichen und für den Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellen (BGH NJW-RR 92, 770 [BGH 11.03.1992 - IV ZR 62/91]; Hamm 10.4.14 – 10 U 35/13; Ruby ZEV 07, 263, 264; zum Ertragswert § 2049 Rn 4; Lange AuR 19, 82. Macht der Erbe von dem Recht Gebrauch und ist er Pflichtteilsberechtigter (Rn 4), ist der Ertragswert für den Pflichtteil maßgebend.

 

Rn 3

Hinterlässt der Erbe nur einen Erben, kann er Maßgeblichkeit des Ertragswerts statt des Schätzwerts (§ 2311 II 1) anordnen (II). Eine solche Anordnung muss sich aus dem Testament ergeben (BGH NJW 75, 1831, 1832 [BGH 04.07.1975 - IV ZR 3/74]). Ihre Feststellung durch ergänzende Auslegung setzt Anhaltspunkte dafür voraus, dass der Erblasser bei Testamentserrichtung eine erhebliche Differenz zwischen Ertrags- und Verkehrswert vorausgesehen hat (BGH NJW 87, 951 [BGH 22.10.1986 - IVa ZR 76/85]; Gottwald Rz 6).

 

Rn 4

Der Erbe muss (abstrakt; BGH NJW 64, 1414, 1415 [BGH 04.05.1964 - III ZR 159/63]) pflichtteilsberechtigt sein (III; s § 2303 Rn 14). Ausreichend ist, dass ein pflichtteilsberechtigter Familienangehöriger des Erben das Gut fortführt (BayObLGZ 88, 385; Oldbg NJW-RR 92, 464). § 2312 gilt auch, wenn das Gut zu Lebzeiten des Erblassers übergeben wurde und gegen den Übernehmer Pflichtteilsergänzungsansprüche (§§ 2325 ff) geltend gemacht werden und die Voraussetzungen des § 2312 beim Erbfall vorlagen, insb das Gut nicht vor dem Erbfall aufgegeben wurde (BGH NJW 95, 1352 [BGH 14.12.1994 - IV ZR 113/94]), oder wenn zum Nachlass der gütergemeinschaftliche Anteil des Erblassers an einem Landgut gehört (BGH FamRZ 83, 1220 f). Die Privilegierung des § 2312 erstreckt sich auch auf den Auskunftsanspruch (Jena NJW-RR 06, 951 [OLG Jena 08.03.2006 - 2 U 762/05]).

C. Einschränkungen.

 

Rn 5

In Hinblick auf mögliche, auch verfassungsrechtlich bedenkliche Härten für den weichenden Hoferben und im Einklang mit dem Zweck der Norm (Rn 1; BGH NJW 95, 1395) sind Einschränkungen der Vergünstigung geboten, wenn der Übernehmer das Landgut veräußern will oder muss (BGH FamRZ 89, 1276, 1278; NJW-RR 92, 770; auch zur Beweislast ZEV 08, 40, 41), es nicht als Einheit fortführen kann oder es nicht überlebensfähig ist (BGH NJW 87, 951; FamRZ 92, 172) oder einzelne, besonders wertvolle Vermögenswerte ohne Gefahr für die Überlebensfähigkeit des Gutes herausgelöst werden können (BGH NJW 87, 1260: zur Herauslösung baureifer Grundstücke; FamRZ 92, 172). Die Fortführungsprognose erfolgt nach den Verhältnissen beim Erbfall aus der objektivierenden Sicht eines unvoreingenommenen Beobachters, wobei neben der Beschaffenheit, der Lage und der sonstigen objektiven Verhältnisse des Betriebes auch die Absichten, Vorstellungen und die Ausbildung der Beteiligten von Bedeutung sind (München FamRZ 09, 1439).

 

Rn 6

Keine Anwendung findet § 2312 ferner, wenn das Gut auf mehrere Erben zu Bruchteilseigentum übergeht (BGH FamRZ 77, 195) oder ein Erbe nur einen Bruchteil des Eigentums an einem Landgu...

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