Rn 33

Die zusätzlichen Voraussetzungen der Ersatzfähigkeit des Verzögerungsschadens ergeben sich aus § 286. Wegen der – vom Verzugsschaden des alten Rechts abweichenden – Natur des Schadens ist es dabei unschädlich, ob die Leistung in Natur noch möglich ist oder nicht (s § 286 Rn 9; aA etwa Jauernig/Stadler § 280 Rz 33), am beschränkten Schutzzweck der Leistungszeitpunkte ändert dies nämlich nichts. Auch der Rücktritt schließt die Ersatzfähigkeit nicht aus (BGH NJW 08, 911 [BGH 28.11.2007 - VIII ZR 16/07] [für Nutzungsausfallschäden]). Schäden, welche vor Vorliegen der Voraussetzungen des § 286 eintreten – etwa auch vorübergehende Deckungsgeschäfte – sind nicht ersatzfähig (insoweit zutr Haberzettl NJW 07, 1328, 1329 f).

 

Rn 34

Die Anwendbarkeit von §§ 280 II, 286 ändert an den übrigen Voraussetzungen der Haftung, insbes an den Maßstäben des Vertretenmüssens nichts. Bezugspunkt des Vertretenmüssens ist die Verzögerung als die maßgebliche (Dauer-)Pflichtverletzung; vor Eintritt der Verzugsvoraussetzungen nach § 286 I–III verhindert allerdings § 287 die Entlastung durch Zufall nicht (s Rn 20 und § 286 Rn 24, 26). Jedoch haben für letztere bestimmte Fragen va im Zusammenhang mit Verzögerungsschäden Bedeutung: Entlastend wirken insoweit insbes Leistungshindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art. Ist Fahrlässigkeit der maßgebende Haftungsstandard, kann zu diesen Hindernissen auch die Unkenntnis des Schuldners von der Verpflichtung zählen (s Jauernig/Stadler § 280 Rz 41). In Kriegs- und Krisenzeiten wird es vielfach zur Haftungsentlastung durch höhere Gewalt kommen (s § 276 Rn 35, 36). Bei Räumungspflichten können Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Ersatzraum dem Schuldner uU helfen (s Celle MDR 67, 1013 [OLG Celle 24.02.1967 - 4 U 169/66]). Bedient sich der Schuldner zur Feststellung des Umfangs seiner Leistungspflicht eines Gutachters, so hat er für dessen Fehler nach § 278 einzustehen (Karlsr MDR 05, 811 [OLG Karlsruhe 22.09.2004 - 14 U 173/03] [Gutachter bei Gebrauchtwagengarantie]; zum Parallelproblem beim Rechtsirrtum s Rn 35). Andere entlastende Umstände sind etwa die Verzögerung der rechtzeitig beantragten Genehmigung (BGH NJW 74, 1080 [BGH 21.03.1974 - VII ZR 139/71]; s.a. BGH NJW 02, 1568, 1569 [BGH 17.01.2002 - VII ZR 490/00] [iE keine Entlastung, weil Schuldner das Risiko übernommen hat]) oder vorübergehende Beschränkungen des internationalen Waren- oder Zahlungsverkehrs (RGZ 161, 100, 105). Letztere vermögen grds auch bei der Übernahme eines Beschaffungsrisikos durch Vereinbarung einer Gattungsschuld (s § 276 Rn 2730) zu entlasten, so der Schuldner nicht ausnahmsweise die Beschaffung auch unter derartigen Umständen garantiert hat.

 

Rn 35

Besondere tatsächliche Fragen stellen sich bei Verspätung mit der Erfüllung von Geldforderungen. Zu den Anforderungen der Richtlinie an den Haftungsstandard s § 286 Rn 25. Von geldrechtlichen Beschränkungen und der vorübergehenden Unkenntnis von der Zahlungspflicht abgesehen, kommt insoweit eine Haftungsentlastung nur in seltenen Fällen des nicht fahrlässigen Rechtsirrtums in Frage (allg zum Rechtsirrtum s § 276 Rn 11): Die Anforderungen daran sind sehr hoch (BGHZ 89, 296, 303; 131, 354; BGH NJW 01, 3114, 3115). Va muss der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen und ggf Rechtsrat einholen (BGHZ 131, 346, 354 f; 140, 223, 238 f; BGH NJW 11, 3229 Rz 12). Fehler des Rechtsberaters werden ihm jedoch regelmäßig nach § 278 zugerechnet (BGHZ 74, 281; LAG Düsseldorf BB 93, 1149; von Caemmerer FS Weitnauer 262, 266, 273 ff). Der Schuldner trägt zudem das erkennbare Risiko einer abweichenden Beurteilung durch das Gericht (BGHZ 89, 296, 303; BGH NJW 11, 3229 Rz 12); eine überraschende Rspr-Änderung, die auch noch von der hA in der Lehre abweicht, vermag hingegen zu entlasten (BGH NJW 72, 1045; BAG DB 93, 1037). Das ist richtlinienkonform (s § 286 Rn 25).

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