Rn 10

Der Hauptleistungspflicht zur Ausführung der anwaltlichen Tätigkeit stehen Sorgfalts- und Obhutspflichten zur Seite. Das Mandat ist so auszuführen, dass Rechte, Rechtsgüter und Interessen (§ 241 II) des Mandanten nicht verletzt werden (Offenbarungspflicht bei Beziehungen zum Parteigegner: BGH NJW 08, 1307 [BGH 08.11.2007 - IX ZR 5/06]). Ist Gegenstand des mit einem Anwalt geschlossenen Beratungsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten, hat der Anwaltsvertrag im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten des (gesetzlichen) Vertreters des Mandanten (BGH NJW 16, 3432 [BGH 21.07.2016 - IX ZR 252/15]). Die Pflichten des Anwalts bestehen grds nur während der Vertragsdauer. Ausnahmsweise kommt bei besonderen Risiken oder Gefahren für den Mandanten eine Hinweispflicht auch für die Zeit nach Beendigung des Mandats in Betracht (BGHZ 94, 380; zu Warnungen und Hinweisen außerhalb des Mandats, BGH NJW 18, 2476). Die Handakten sind nach Erledigung des Zurückbehaltungsrechts bei Mandatsende herauszugeben (BGH NJW-RR 15, 186 [BGH 26.06.2014 - III ZR 299/13]; zur Übertragung des Eigentums an den Mandaten im Falle der Insolvenz des Anwalts, BGH NJW-RR 19, 637 [BGH 07.02.2019 - IX ZR 5/18]; zur allgemeinen Verjährung, BGH NJW 20, 3725 [BGH 15.10.2020 - IX ZR 243/19]).

 

Rn 11

Die Rechtsberatung muss umfassend und erschöpfend sein (BGH NJW 92, 1159 [BGH 06.02.1992 - IX ZR 95/91]). Maßstab ist das erteilte Mandat (BGH NJW 09, 1589 [BGH 15.01.2009 - IX ZR 166/07] – Vergleich). Wesentlicher Beitrag zur Beratung ist die Aufklärung des Sachverhalts (BGH NJW 98, 2048). Die Aufklärungspflicht bezieht sich auf alle Vorgänge des konkreten Sachverhalts, die geeignet sind, den vom Mandanten gewünschten Erfolg herbeizuführen (BGH NJW 00, 730 [BGH 18.11.1999 - IX ZR 420/97]: Nachfragepflicht; BGH NJW 10, 1961 [BGH 15.04.2010 - IX ZR 223/07]: Versäumter Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung; Hinweis auf die Notwendigkeit, einen Steuerberater einzuschalten, BGH NJW 20, 1139 [BGH 09.01.2020 - IX ZR 61/19]). Der Mandant ist seinerseits verpflichtet, seinen Anwalt vollständig und wahrheitsgemäß zu unterrichten (BGH NJW 96, 2929 [BGH 20.06.1996 - IX ZR 106/95]). Auf die Angaben des Mandanten darf sich der Anwalt grds verlassen (BGH NJW 85, 1154 [BGH 15.01.1985 - VI ZR 65/83]; 98, 2048 [BGH 02.04.1998 - IX ZR 107/97]; bei der rechtlichen Beurteilung des Zugangszeitpunkts allerdings BGH NJW 19, 1151 [BGH 14.02.2019 - IX ZR 181/17]). Die Aufklärungs- und Hinweispflicht des Anwalts kann reduziert sein, wenn der Mandant spezielle Vorkenntnisse hat (BGH NJW 98, 1486 [BGH 18.12.1997 - IX ZR 153/96]). An die Rechtskenntnisse eines Anwalts und die rechtliche Prüfung stellt die Rspr hohe (teilweise unrealistische) Anforderungen. Neben der Kenntnis des Gesetzes und der höchstrichterlichen Rspr (BGH NJW 83, 1665 [BGH 29.03.1983 - VI ZR 172/81]; angemessene Frist nach der Veröffentlichung: NJW 79, 877 [BGH 20.12.1978 - IV ZB 115/78]) hat der Anwalt auch Entwicklungen in der Rspr und Lit zu verfolgen (BGH NJW 93, 3323 [BGH 30.09.1993 - IX ZR 211/92]). Letzteres allerdings nur, wenn in dem Bereich erkennbar Änderungen der höchstrichterlichen Rspr zu erwarten sind (BVerfG NJW 13, 523 [BVerfG 18.10.2012 - 1 BvR 2366/11]). Entscheidet er sich insoweit für einen von mehreren Lösungswegen, so handelt er nicht schuldhaft (BGH WM 16, 2091). Zum geltenden deutschen Recht zählen auch das Europarecht sowie internationale Üb wie das UN-Kaufrecht. Als Ergebnis der Beratung muss der Anwalt dem Mandanten den sichersten und gefahrlosesten Weg vorschlagen, der zum angestrebten Erfolg führt (BGH NJW 09, 2949). Bei mehreren Wegen ist eine Belehrung erforderlich, in der mögliche Risiken aufgezeigt werden und der Mandant über Folgen umfassend aufgeklärt wird (BGH WM 01, 98). Zur Belehrung zählt auch die Vorsorge im Hinblick auf den Erhalt von Rechten (BGH NJW 11, 2889: ›Sofortige‹ Klageerhebung; NJW 97, 1302: Verjährung; Karlsr NJW 10, 1760: Ausschlussfristen) und ein Hinweis zu bestehenden Risiken (BGH WM 05, 2345; BGH NJW 07, 2046: Hinweis auf künftige Risiken). Vor rechtlichen Gefahren, die zwar in keinem inneren Zusammenhang mit dem Mandat stehen, muss der Anwalt aber gleichwohl warnen, wenn sie bekannt oder offenkundig sind (BGH NJW 02, 1117; bei möglicher psychischer Schädigung des Mandanten, BGH WM 13, 1754; Hinweise zum Arbeitsrecht bei sozialrechtlichem Mandat: BGH NJW 18, 992; seinen Mandanten auf die offensichtlich bestehende erfolgversprechende Möglichkeit der Geltendmachung eines eigenen Zugewinnausgleichsanspruchs hinzuweisen; Zweibr NJW 21, 2518 [OLG Zweibrücken 18.06.2021 - 2 U 52/20]). Die Pflicht des Rechtsanwalts, den Mandanten über die Erfolgsaussichten einer in Aussicht genommenen Rechtsverfolgung aufzuklären, endet nicht mit deren Einleitung; verändert sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten auf...

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