Rn 4
Entscheidend für die Anknüpfung von Ansprüchen aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist nach Art 6 I in erster Linie das Recht am Ort der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen bzw der kollektiven Interessen der Verbraucher (bzw – analog – bei Beeinträchtigung der kollektiven Interessen sonstiger Marktteilnehmer, Köhler FS Coester-Waltjen 501, 506). Hier wird idR auf den Marktort abgestellt (zB H-J Ahrens FS Tilmann 739, 752; Sonnentag ZVglRWiss 06, 256, 284 ff; Handig GRUR Int 08, 24, 27; Lindacher GRUR Int 08, 453, 455; W-H Roth AcP 2020, 458, 482; Grüneberg/Thorn Art 6 Rz 9; jurisPK/Lutzi/Wiegandt Art 6 Rz 28; NK-BGB/Weller Art 6 Rz 16; Lindacher S 20 f; Bauermann Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht 15, 29 ff mwN; BGH WRP 10, 1485 [BGH 09.09.2010 - I ZR 72/08] Rz 16; NJW 14, 2504 [BGH 12.12.2013 - I ZR 131/12] Rz 38; GRUR 16, 513 [BGH 08.10.2015 - I ZR 225/13] Rz 16; 17, 397 Rz 42 f; Frankf WRP 20, 1065; stärker diff Pfeiffer IPRax 14, 360, 364). Dieser wird iRd Art 6 I regelmäßig mit dem Auswirkungsort zusammenfallen (Fälle, in denen ein Auseinanderfallen denkbar ist, zB unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen, die zur Produktionseinstellung führen, oder Geheimnisverrat, dürften meist solche des Art 6 II sein). Trotzdem sollte – auch wegen des Gleichlaufs mit Art 6 III, der zwar von einer Beeinträchtigung des Marktes spricht, aber nach ganz überwiegender Ansicht das Auswirkungsprinzip normiert (s.u. Rn 7) – auch bei Art 6 I auf den Auswirkungsort, der von dem für die Anknüpfung nicht maßgeblichen Schadensort zu unterscheiden ist, abgestellt werden (s.a. Heiss/Loacker JBl 07, 613, 629; Hellner YbPrIntL 07, 49, 56; vgl aber auch Köhler FS Coester-Waltjen 501, 505: Einwirkungsort; BGH BeckRS 15, 10895 Rz 15: Ort des Schadenseintritts), da so eine einheitliche Betrachtungsweise möglich wird (auch bei Art 6 II iVm Art 4 wird als Erfolgsort regelmäßig der Auswirkungsort anzusehen sein, der vereinzelt vom Marktort abweichen kann). Auch Fälle der Einwirkung auf fremde Kunden können so erfasst werden (zB Brandbg BeckRS 19, 1382). Im Wettbewerb Handelnde müssen also ihr Verhalten am Recht der potentiellen Auswirkungsorte ihrer Maßnahmen ausrichten. Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche sind zwar marktterritorial begrenzt (Lindacher GRUR Int 08, 453, 455 f, auch mit überzeugenden Argumenten gegen eine Analogie zu Art 6 III lit b); insoweit gilt auch hier die Mosaikbetrachtung (s insb Sack WRP 08, 845, 852; Bauermann Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht 15, 50 ff mwN; Soergel/Remien Art 6 Rz 18; iE wohl auch EuGH NJW 20, 2869 Rz 39 = ECLI:EU:C:2020:534 – die Entscheidung könnte auch als eine solche zugunsten des Auswirkungs- und nicht des Marktorts gedeutet werden). Bei Streudelikten, deren Auswirkungen sich nicht auf bestimmte Staaten begrenzen lassen (insb bei Verbreitung über das Internet), führt die Anknüpfung an das Recht des Erfolgsortes aber dazu, dass ein einzelstaatliches Unterlassungsgebot uU weltweite Wirkung entfalten kann (Lindacher GRUR Int 08, 453, 455; Sack aaO). Diese Konsequenzen sind de lege lata hinzunehmen (s.a. Bauermann Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht 15, 53 ff mwN), denn ein ursprünglich vorgesehenes Spürbarkeitskriterium (KOM [03] 427 18) wurde leider nicht in die Endfassung der VO übernommen (gleichwohl für seine Anwendung Leible/Lehmann RIW 07, 721, 729; Staud/Fezer/Koos Int WirtschR Rz 670; wohl auch Pfeiffer IPRax 14, 360, 365; dagegen zB Soergel/Remien Art 6 Rz 17). Umgekehrt kann im Einzelfall bei Verweisung auf eine Rechtsordnung, in der das Lauterkeitsrecht nicht durch staatliche Regelungen erfasst wird, ein Normenmangel auftreten, der durch Anwendung der Wettbewerbsregeln der lex fori aufgelöst werden sollte (H-J Ahrens FS Tilmann 739, 752). Bei Internetwerbung dürften für die Ermittlung des Auswirkungsortes eine Reihe von Indizien heranzuziehen sein, von denen die verwendete Sprache ein wichtiges, aber nicht allein maßgebliches Indiz ist (s etwa KG WRP 18, 98 [KG Berlin 11.10.2017 - 5 W 221/17]: deutsches Recht anwendbar bei Werbung in teilweise deutscher, teilweise leicht verständlicher englischer Sprache; ähnl Ddorf BeckRS 19, 24920). Weitere Indizien könnten etwa die Bestell- und Liefermodalitäten (zB das Angebot der Lieferung in bestimmte Staaten, s jetzt Frankf WRP 19, 649, 650 [OLG Frankfurt am Main 14.02.2019 - 6 U 3/18]), die Bezugnahme auf bestimmte Verbraucherrechte nach nationalem Recht, die Verwendung einer nationalen Domain oder die Angabe einer bestimmten Landeswährung als Zahlungsmittel sein. Für Einschränkung durch ein – aus dem Gesetzestext freilich nicht unmittelbar abzuleitendes – Kriterium der bestimmungsgemäßen oder gezielten Ansprache Ritlewski in Hoeren/Bensinger, Haftung im Internet 23 Kap 2 Rz 154. Wünschenswert wäre insoweit allerdings eine europäisch-autonome Auslegung (s.a. Wurmnest/Gömann IPRax 18, 480, 483), die sich wohl nur im ...