Rn 29
Ein beachtlicher Inhaltsirrtum liegt vor, falls der Verkäufer irrtümlich annimmt, ein vereinbarter Ausschluss der Rechtsmängelhaftung erfasse auch die Sachmängelhaftung (Brox/Walker AT Rz 423). Ebenso gilt dies bei Löschung der erstrangigen Hypothek in der Annahme, die drittrangige Hypothek rücke auf (RGZ 88, 286); bei erstrangiger Hypothekenbestellung, die an zweiter Stelle erfolgen sollte (RGZ 89, 33f). Bei einer Erbschaftsausschlagung begründet nach Ansicht des BGH der Irrtum über die konkrete Person des Nächstberufenen, unabhängig davon, welche rechtlichen oder tatsächlichen Fehlvorstellungen dem zugrunde lagen, lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum. Dies betrifft etwa die irrige Annahme einer Anwachsung beim verbleibenden Miterben oder einen Irrtum über Inhalt der gesetzlichen Erbfolge im deutschen Erbrecht. Irrt sich der Ausschlagende bei Abgabe der Ausschlagungserklärung über die nach seinem Wegfall an seiner Stelle in die Erbfolge eintretende konkrete Person, ist dies nur ein Irrtum über eine mittelbare Nebenfolge der Ausschlagungserklärung aufgrund anderer rechtlicher Vorschriften. Es liegt nach Ansicht des BGH ein Motivirrtum vor, der nicht zur Anfechtung berechtigt (BGH NJW 23, 1725 [BGH 22.03.2023 - IV ZB 12/22]). Angenommen wird ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum (zum Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft Rn 40) könne in der Annahme liegen, der Ausschlagende werde von allen Auflagen befreit (Ddorf DNotZ 98, 839 [OLG Düsseldorf 17.09.1997 - 3 Wx 287/97]), sie verschaffe dem Vorerben die Stellung eines Vollerben (BayObLG ZEV 98, 431), bei der schlüssigen Annahme in der Vorstellung, nur so den Pflichtteilsanspruch sichern zu können (BGH NJW 06, 3355 [BGH 05.07.2006 - IV ZB 39/05]; auch nach der Neufassung von § 2306 I BGH NJW 16, 2954 [BGH 29.06.2016 - IV ZR 387/15]), bei der stillschweigenden Erbschaftsannahme ohne Kenntnis des Ausschlagungsrechts (BayOLGZ 83, 162, Erklärungsirrtum; weitere Fälle bei Staud/Singer § 119 Rz 72f). In der obergerichtlichen Judikatur war bislang umstritten, ob ein Irrtum über die Person des Nächstberufenen beachtlich ist. Von einem erheblichen Rechtsirrtum ist ausgegangen worden bei der Annahme, es existierten außer der Ehefrau des Erblassers keine anderen Erben (Ddorf FamRZ 18, 464), dass die Erbschaft bei einer anderen Person eintrete (Ddorf Rpfleger 19, 513), einem Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben (Brandbg ZEV 22, 716 [OLG Brandenburg 27.07.2022 - 3 W 59/22]), ein Miterbe den Erbteil des Ausschlagenden erhalte (Frankfurt ZEV 17, 515 [OLG Frankfurt am Main 04.05.2017 - 20 W 197/16]) oder bei der unterlassenen Ausschlagung in der Annahme, dem Erben bleibe trotz eines umfassenden Vermächtnisses in jedem Fall der Pflichtteilsanspruch (Ddorf Rpfleger 17, 344). Demgegenüber handelt es sich nach einer aA bei einem Irrtum über die Person desjenigen, dem die Ausschlagung der Erbschaft zugutekomme, regelmäßig nur um einen unbeachtlichen Motivirrtum (Hamm ZEV 22, 525 [OLG Hamm 21.04.2022 - 15 W 51/19]; KG ZEV 20, 152 [KG Berlin 11.07.2019 - 19 W 50/19], bei Irrtum über die gesetzliche Erbfolge). Falsche Vorstellungen über das Vorhandensein von Nachlassgegenständen oder -verbindlichkeiten können ebenso wie ein Irrtum darüber, ob der Nachlass überschuldet ist, zur Anfechtung berechtigen (Ddorf ErbR 20, 666), nicht bei spekulativer Einschätzung des Erbschaftswerts (Ddorf ZEV 19, 263). Beim Vergleichsschluss des Versicherungsnehmers mit der Versicherung kann dies eintreten bei der fehlerhaften Annahme, weitere Ansprüche des Geschädigten seien ausgeschlossen (Zweibr VersR 77, 806f); anders wenn der Versicherer nicht beachtet, dass ein Vergleich die Ansprüche gegen einen anderen Versicherer unberührt lässt (Hamm VersR 98, 1440).