Gesetzestext
1Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. 2Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
A. Formzwecke.
Rn 1
Grundlagen. § 125 S 1 normiert eine strikte Rechtsfolgenanordnung bei einer verletzten gesetzlichen Form. S 2 sieht eine weniger strenge Folgenbestimmung bei einer nicht eingehaltenen rechtsgeschäftlichen Form vor. Mit den Formgeboten, sei es den gesetzlichen, etwa aus den §§ 311b I 1, 518 I 1, 766 S 1, sei es den rechtsgeschäftlichen, sowie den Formarten der §§ 126 ff bildet die Norm ein Regelungsdreieck, das die Balance zwischen freiheitssichernden und -beschränkenden Wirkungen der Formanforderungen gewährleisten soll. Generell gilt für Rechtsgeschäfte der Grundsatz der Formfreiheit. Der gesetzliche Formzwang bildet eine von den Formzwecken gesteuerte Ausnahme. Welchem Zweck eine bestimmte Form dient, ist aus der sie anordnenden Norm zu ermitteln (BGH NJW 89, 1484). Gesetzliche Formvorschriften sind idR zwingend und auch dann einzuhalten, wenn ihre Funktion auf andere Weise zu erfüllen ist (vgl BGHZ 53, 194f). Der Kanon der Formzwecke ist nicht abschließend (Mankowski JZ 10, 662).
Rn 2
Klarstellungs- und Beweisfunktion. Fast alle formgebundenen Erklärungen dienen der Rechtsklarheit und dem Nachweis für die Vornahme sowie den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, selbst wenn andere Aufgaben hinzukommen. Dies gilt etwa für das Schriftformerfordernis beim Mietvertrag, § 550, auch zum Schutz Dritter (BGHZ 136, 357, 370; BGH NJW 08, 2178 Tz 17), oder bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, § 623, die notarielle Beurkundung von Verträgen über Grundstücke, § 311b I 1, bzw Eheverträgen, § 1410, und die behördliche Form der Eheschließung, § 1310.
Rn 3
Warnfunktion. Bei wirtschaftlich bedeutenden oder risikoreichen Geschäften soll der Erklärende vor unüberlegten oder risikoreichen Bindungen gewarnt werden. Beispielhaft dafür steht die notarielle Beurkundung des Erbverzichtsvertrags nach § 2346 vgl nF § 2348, bzw der Schenkung, § 518, aber auch die Schriftform des Bürgschaftsversprechens, § 766, oder des Verbraucherdarlehensvertrags, § 492.
Rn 4
Beratungsfunktion. Va die notarielle Beurkundung, § 17 BeurkG, aber etwa auch die Erklärung ggü einer öffentlichen Stelle, dienen der Beratung und Belehrung der Beteiligten (Neuner AT § 44 Rz 13). Dies gilt etwa für Eheverträge, § 1410, oder Erbverträge, § 2276.
Rn 5
Informationsfunktion. Häufig erfüllt das Schriftformerfordernis auch informatorische Aufgaben, namentlich bei zahlreichen Verbrauchergeschäften, vgl §§ 484, 492, 499, 500, 502, s.a. § 550 (BGH NJW 08, 2178 [BGH 07.05.2008 - XII ZR 69/06] Tz 13 ff).
Rn 6
Kontrollfunktion. Vereinzelt sollen Formerfordernisse eine behördliche Überwachung erleichtern, so etwa das Schriftformerfordernis nach § 15 II GWB bei der Preisbindung von Verlagserzeugnissen.
B. Formarten.
Rn 7
Die gesetzlichen Formen sind im AT in den §§ 126–126b, 127a–129 geregelt. Modifiziert werden sie etwa durch das Erfordernis der eigenhändigen Schriftform beim Testament nach § 2247. Rechtsgeschäftlich vereinbarte Formen sind nicht an die gesetzlich fixierten Anforderungen gebunden, wobei die Auslegungsregel des § 127 Erleichterungen bei der Schriftform und elektronischen Form bestimmt.
Rn 8
Textform, § 126b. Als schwächste Form erfordert die Textform eine Urkunde oder eine zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Erklärung (Fax, E-Mail). Anstelle einer Unterschrift bzw elektronischen Signatur genügt eine Nachbildung der Namensunterschrift oder andere Kennzeichnung, vgl §§ 312c, 355, 554 III, 556a II, 560.
Rn 9
Elektronische Form, §§ 126 III, 126a. Soweit nichts anderes geregelt ist, kann nach § 126 III die elektronische Form die Schriftform ersetzen. Dazu muss der Erklärende dem elektronischen Dokument seinen Namen und eine qualifizierte elektronische Signatur nach Art 3 Nr 12 eIDAS-Verordnung (EU) Nr 910/2014 hinzufügen.
Rn 10
Schriftform, § 126 I, II. Sie verlangt eine eigenhändig durch Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnete Urkunde. Der Text muss nicht eigenhändig verfasst sein, anders § 2247.
Rn 11
Öffentliche Beglaubigung, § 129. Die Erklärung ist schriftlich abzufassen und die Unterschrift bzw das Handzeichen vom Notar zu beglaubigen, zB §§ 77, 1355 IV 5, 2198. Sie bezweckt einen Übereilungs- oder Fälschungsschutz, nicht aber eine Belehrung.
Rn 12
Notarielle Beurkundung, § 128. Als stärkste Form kann die notarielle Beurkundung die anderen gesetzlichen Formen ersetzen, §§ 126 IV, 129 II. Bei ihr wird die Erklärung ggü dem Notar abgegeben, niedergeschrieben, vorgelesen, genehmigt, unterschrieben und die Niederschrift vom Notar unterzeichnet, §§ 8, 13 BeurkG (Erman/Arnold § 125 Rz 7). § 925 I 1 verlangt für die Auflassung zusätzlich die gleichzeitige, aber nicht persönliche Anwesenheit beider Parteien.
Rn 13
Gerichtlicher Vergleich, § 127a. Er ersetzt die notarielle und damit auch jede andere Form, §§ 126 IV, 129 II.
C. Anwendungsbereich.
I. Arbeitsrecht.
Rn 14
Tarifve...