Rn 12
Wegen der Bedeutung des Ehefähigkeitszeugnisses muss die Identität des Antragstellers gesichert und dessen Staatsangehörigkeit geklärt sein (Brandbg NZFam 22, 227 [Geburtsurkunde allein nicht ausreichend]; Ddorf FamRZ 98, 1107; Rostock FamRZ 09, 1324). Die Erforderlichkeit der Vorlage eines solchen Zeugnisses bedeutet ein vom Standesbeamten gem § 13 PStG zu beachtendes aufschiebendes Ehehindernis. Eine unter Verletzung der Pflicht zur Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses gleichwohl geschlossene Ehe ist wirksam.
Rn 12a
Angehörigen von Staaten, die kein Ehefähigkeitszeugnis kennen, muss es – insb im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Eheschließungsfreiheit – möglich sein, auch ohne die Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses im Inland eine Ehe eingehen zu können. Die Regelung dazu findet sich in II. Sie gilt auch für Staatenlose mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland und sieht eine förmliche Befreiungsentscheidung durch den Präsidenten des OLG, in dessen Bezirk das zuständige Standesamt seinen Sitz hat, vor (II 1).
Rn 13
Maßstab für die Erteilung der Befreiung ist vorrangig die Frage, ob das Heimatrecht des Verlobten der geplanten Eheschließung entgegensteht. Der OLG-Präsident muss demgemäß entspr § 26 FamFG vAw ermitteln und feststellen, dass nach dem gem Art 13 I EGBGB anwendbaren Recht sowie nach deutschem Recht kein Ehehindernis besteht. Für die personenbezogene Prüfung sind die Identität, die Geburtsangaben, die Staatsangehörigkeit sowie der Familienstand mit hinreichender Gewissheit nachzuweisen (Brandbg NZFam 22, 227; Ddorf FamRZ 18, 249). In diesem Fall ist ohne Ermessensmöglichkeit die Befreiung zu erteilen (Ddorf StAZ 80, 239). Dies gilt auch für ein nur aufschiebendes Eheverbot und ist unabhängig davon, ob die Verletzung des Ehehindernisses die Gültigkeit der gleichwohl geschlossenen Ehe beeinträchtigt oder nicht (BGH FamRZ 71, 366; Köln NJW 1990, 644 [OLG Köln 23.01.1989 - 7 VA 2/88]). Das Verfahren auf Befreiung kann einer Abschiebung entgegenstehen (OVG Saarland NVwZ-RR 2011, 542). Ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses (§ 1309 I 1) kann nicht allein deshalb als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden, weil die Verlobten sich nie persönlich begegnet sind (so aber bei reinem Video- und Briefkontakt Naumbg FamRZ 02, 955). Auch ein Kennenlernen durch die Benutzung digitaler Kommunikationsformen (via Skype/Chatrooms/Facebook) ohne eine persönliche Begegnung schließt die Ernsthaftigkeit des Willens zur Eheschließung nicht aus (KG FamRZ 13, 953). Soll hingegen die eheliche Lebensgemeinschaft offensichtlich nicht hergestellt und mit der Eheschließung ein ehefremder Zweck, etwa für eine Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Partners, verfolgt werden, fehlt für den Antrag das Rechtsschutzbedürfnis (Naumbg FamRZ 08, 276; Dresd StAZ 01, 35).
Rn 14
Besteht nach dem Heimatrecht des Verlobten ein Ehehindernis, ist dennoch Befreiung zu erteilen, wenn das zusätzlich zu berücksichtigende deutsche Recht diesem Ehehindernis aus Gründen des ordre public die Anerkennung versagt (Art 6 EGBGB). Der Eheschließungsfreiheit entgegenstehende Regelungen fremden Rechts – etwa die absolute Unauflöslichkeit einer früheren Ehe zB nach kanonischem Recht (dazu BGH FamRZ 07, 109) sowie das Verbot der Eheschließung bei unterschiedlicher Religionszugehörigkeit (BGH FamRZ 71, 366; Kobl FamRZ 94, 1262) – kommen dabei in Betracht.
Rn 15
Ausnw kann eine Befreiung auch Angehörigen von Staaten, die ein Ehefähigkeitszeugnis kennen, erteilt werden. Nach II 3 ist dies in besonderen Fällen möglich. Damit gemeint sind Sachverhalte, bei deren Vorliegen die Beschaffung des Ehefähigkeitszeugnisses im Heimatstaat undurchführbar oder unzumutbar ist, etwa bei Krieg, Naturkatastrophen oder wegen politischer Verhältnisse (vgl Oldbg NJW-RR 89, 774 [OLG Oldenburg 02.09.1988 - 4 VA 1/88]; Köln NJW 90, 644 [OLG Köln 23.01.1989 - 7 VA 2/88]).
Rn 16
Für den Antrag ist der Präsident des OLG zuständig, in dessen Bezirk das Standesamt für die angemeldete Eheschließung liegt (II 3). Die Befreiung wird 6 Monate nach ihrer Erteilung kraftlos, wenn bis dahin keine Eheschließung erfolgt ist (II 4; Frankf StAZ 14, 174). Gg die Versagung der Befreiung ist als Rechtsbehelf der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem Art 23 ff EGGVG binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung eröffnet. Zuständig ist ein Senat des OLG (§ 25 EGGVG).