Rn 2
Die rechtliche Vaterschaft eines Mannes zu einem Kind muss nach Maßgabe der §§ 1592, 1593, 1599 II bestehen und nach den genetischen Daten objektiv unrichtig sein. Von einem genetischen Abstammungsgutachten (§ 177 FamFG; Celle FamRZ 19, 303) kann abgesehen werden, wenn ein im Ausland lebender Beteiligter seine Mitwirkung an der Untersuchung verweigert, jedoch durch eine anderweitige vorherige Vernehmung hinreichende Anhaltspunkte für oder gegen die Vaterschaft bestehen (Frankf NZFam 22, 1000). Durch die Feststellung (§§ 169 Nr 4, 184 FamFG), dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist (§ 1599 I), wird die Rechtslage gestaltet. Die gerichtlich festgestellte Vaterschaft (§§ 1592 Nr 3, 1600d I) ist nur im Wiederaufnahmeverfahren (§ 185 FamFG) mit einem neuen Gutachten auflösbar. Nur im Anfechtungsverfahren des leiblichen Vaters (§ 1600 I Nr 2) wird auch dessen biologische Vaterschaft festgestellt (§§ 1600 II, 182 I FamFG; Hambg FamRZ 20, 511). Die Anfechtung der Vaterschaft, auf die nicht wirksam verzichtet werden kann (BGH FamRZ 20, 1004), kann nur auf zeitlich befristeten Antrag (§ 171 FamFG) erfolgen und ist vor der Geburt des Kindes unzulässig (Rostock FamRZ 07, 1675), aber noch postmortal möglich. Für die Anfechtungserklärung wird die Geschäftsfähigkeit erweitert (§ 1600a II).
Rn 3
Die Anfechtung der Vaterschaft erfordert nach der stRspr des BGH (FamRZ 12, 1290; 95, 955; einschränkend für die Mutter BGH FamRZ 20, 1004) und der Regelung in § 171 II FamFG einen sog Anfangsverdacht. Der Antragsteller muss – auf die Empfängniszeit bezogene – Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu wecken und die Möglichkeit der anderweitigen Abstammung als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen. Allein die durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellte Behauptung, nicht leiblicher Vater des Kindes zu sein, ist nicht ausreichend. Nur solche Umstände, die den Anfangsverdacht stützen, setzen auch die Anfechtungsfrist nach § 1600b I in Lauf. Die den Anfangsverdacht begründenden Tatsachen sind von nicht ausreichenden Vermutungen oder Gerüchten (BGH FamRZ 89, 169; Brandbg FamRZ 14, 1129; Frankf FamRZ 08, 805) bzw einem bloßen Verdacht aufgrund anonymer Anrufe (BGH FamRZ 08, 501; Kobl v 9.8.22 – 9 WF 287/22, juris) abzugrenzen, wobei eine Nachforschungspflicht nicht besteht (Kobl FamRZ 23, 871). Keine intime Beziehung des rechtlichen Vaters mit der Mutter oder eine solche zu einem anderen Mann, ein dahingehendes Eingeständnis der Mutter begründen (BGH FamRZ 06, 771; 89, 169; Kobl FamRZ 20, 1845; Brandbg FamRZ 14, 1215; Karlsr FamRZ 13, 555) ebenso hinreichende Verdachtsmomente wie ein Urlaub oder das Zusammenleben mit einem anderen Mann (Brandbg FamRZ 04, 480; Hamm FamRZ 92, 472; Frankf FamRZ 00, 108 [Sextourismus]). Die ärztlich bescheinigte absolute Zeugungsunfähigkeit (BGH FamRZ 89, 169; Dresd FamRZ 06, 1129) begründet einen Anfangsverdacht, nicht jedoch die Verwendung von Kondomen oder die regelmäßige Einnahme der Pille (BGH FamRZ 14, 463; 06, 771 [zur Prostitution]). Ein mit erklärter oder gerichtlich ersetzter Einwilligung eingeholtes Abstammungsgutachten, nicht hingegen der heimliche Vaterschaftstest, führt ebenfalls zu einer hinreichenden Kenntnis (BGH FamRZ 06, 686; BVerfG FamRZ 07, 441). Eine fehlende Ähnlichkeit des Kindes – mit Ausn erheblicher Abweichungen bei charakteristischen Erbmerkmalen, wie der Hautfarbe (BGH FamRZ 05, 342; Jena FamRZ 03, 944) – oder (falsche) Vorstellungen über die Blutgruppenvererbung oder die Weigerung für einen Vaterschaftstest reichen ebenfalls nicht aus.
Rn 4
Durch die gerichtliche Entscheidung wird das Eltern-Kind-Verhältnis mit Wirkung ex tunc aufgelöst und führt zur Vaterlosigkeit des Kindes. Die elterliche Sorge steht allein der Mutter des Kindes zu. Der bisherige rechtliche Vater verliert sein Umgangsrecht aus § 1684 und kann ein solches nur als enge Bezugsperson (§ 1685 II) geltend machen. Unterhaltsansprüche entfallen ebenso wie erbrechtliche Beziehungen. Kindbezogene Einkommens- oder Steuervorteile entfallen ebenfalls (§§ 40 BBesG, 32 VI EStG). Ein tw bejahter Automatismus zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit (BVerwG FamRZ 18, 1160; OVG Münster FamRZ 13, 1338) besteht nicht, weil hierfür eine hinreichend klare Gesetzesgrundlage erforderlich ist (BVerfG FamRZ 19, 1624; 14, 449; bejahend: BayVGH FamRZ 23, 1977; 1979; OVG Lüneburg NZFam 23, 1104; FamRZ 20, 511; aA OVG Bremen FamRZ 20, 347). Das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes kann einen Härtegrund iSv § 1579 Nr 7 bzw nach § 27 VersAusglG darstellen (BGH FamRZ 12, 779, 845).