Gesetzestext
(1) 1Die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eines sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, oder die auf Grund eines während der Minderjährigkeit erfolgten Erwerbs von Todes wegen entstanden sind, beschränkt sich auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes; dasselbe gilt für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die der Minderjährige gemäß den §§ 107, 108 oder des § 111 mit Zustimmung seiner Eltern vorgenommen hat oder für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, zu denen die Eltern die Genehmigung des Familiengerichts erhalten haben. 2Beruft sich der volljährig Gewordene auf die Beschränkung der Haftung, so finden die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der §§ 1990, 1991 entsprechende Anwendung.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Verbindlichkeiten aus dem selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, soweit der Minderjährige hierzu nach § 112 ermächtigt war, und für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die allein der Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse dienten.
(3) Die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Mithaftende, sowie deren Rechte aus einer für die Forderung bestellten Sicherheit oder aus einer deren Bestellung sichernden Vormerkung werden von Absatz 1 nicht berührt.
(4) 1Hat das volljährig gewordene Mitglied einer Erbengemeinschaft oder Gesellschaft nicht binnen drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangt oder die Kündigung der Gesellschaft erklärt, ist im Zweifel anzunehmen, dass die aus einem solchen Verhältnis herrührende Verbindlichkeit nach dem Eintritt der Volljährigkeit entstanden ist; Entsprechendes gilt für den volljährig gewordenen Inhaber eines Handelsgeschäfts, der dieses nicht binnen drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit einstellt. 2Unter den in Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen wird ferner vermutet, dass das gegenwärtige Vermögen des volljährig Gewordenen bereits bei Eintritt der Volljährigkeit vorhanden war.
A. Abs 1 u 2: Haftungsbeschränkung.
I. Voraussetzungen.
Rn 1
Die Vorschrift will verhindern, dass der Minderjährige mit fremdverursachten Schulden in die Volljährigkeit eintritt (FAKomm-FamR/Ziegler § 1629a Rz 2). Daher werden alle Verbindlichkeiten erfasst, die Eltern, Vormund, Pfleger oder andere Vertretungsberechtigte durch Rechtsgeschäft oder sonstige Handlungen mit Wirkung für den Minderjährigen begründen (I 1 Hs 1) oder die der Minderjährige selbst aufgrund der ihm erteilten Einwilligung bzw Genehmigung dieser Personen gem §§ 107, 108, 111 eingeht (I 1 Hs 2). Daran ändert auch die gerichtliche Genehmigung nichts (I 1 Hs 2). Ebenso fallen ererbte Schulden in den Anwendungsbereich (I 1 Hs 1). Keine Anwendung findet die Vorschrift aber auf die Kosten, die auf der durch G begründete Bestattungspflicht beruhen (VG Lüneburg FamRZ 22, 1783).
Rn 2
Gem II besteht die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung aber nicht für Verbindlichkeiten, die der Minderjährige iRe Erwerbsgeschäfts nach § 112 oder ausschl zur persönlichen Bedürfnisbefriedigung begründet. Zu letzteren zählen insb Kleingeschäfte des täglichen Lebens, wie der Kauf von Lebensmitteln und Schulutensilien, aber auch von Konsum- und Freizeitartikeln (AG Leipzig FamRZ 08, 84; Grüneberg/Götz § 1629a Rz 7; vgl auch Klüsener Rpfleger 99, 55 ff). Auch Kosten medizinischer Behandlung dienen grds der persönlichen Bedürfnisbefriedigung (AG Norderstedt MDR 01, 513 bei Röntgenuntersuchung); anders aber – mit der Folge des Haftungsprivileg nach I – bei aufwendiger und kostspieliger ärztlicher Behandlung, deren Kosten von der Krankenversicherung nicht vollständig übernommen werden und die den medizinischen Mindestschutz übersteigen (AG Leipzig FamRZ 08, 84 bei besonderer kieferorthopädischer Behandlung m zust Anm Bischof/Löscher).
Rn 3
Für ausschl selbstverursachte Verbindlichkeiten scheidet eine Haftungsbegrenzung gem I aus. Dies gilt für Ansprüche gegen den Minderjährigen aus unerlaubter Handlung gem §§ 823 ff (einschl der Billigkeitshaftung nach § 829), Gefährdungshaftung (Straßenverkehr), Eigentumsrecht gem § 985, ungerechtfertigter Bereicherung gem §§ 812 ff sowie Unterhaltsverpflichtungen gem §§ 1601 ff (Grüneberg/Götz § 1629a Rz 8; FAKomm-FamR/Ziegler § 1629a Rz 5).
II. Wirkungen.
Rn 4
Der volljährig Gewordene kann seine Haftung hinsichtlich der in der Minderjährigkeit entstandenen beschränkungsfähigen Verbindlichkeiten (s.o. Rn 1–3) auf sein Aktivvermögen begrenzen (weitergehend Hager FS Leenen 43, 55 ff bei Schenkung und Erbschaft). Der Volljährige haftet nur noch mit seinem bisherigen Vermögen; Neuerwerb ist haftungsfrei. Um diese Wirkungen auszulösen, muss sich der junge Erwachsene aber auf seine beschränkte Haftung berufen und gem I 2 iVm § 1990 die Erschöpfungseinrede erheben. Zum Schutz in der Zwangsvollstreckung muss er die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Haftung im Urt gem §§ 780 I, 786 ZPO b...