Rn 1
Die von der Ermächtigung (s § 164 Rn 4), der Treuhand (s § 164 Rn 5 f) und der Botenmacht (s § 164 Rn 18) abzugrenzende Vollmacht ist nach der Legaldefinition in § 166 II die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Sie verleiht dem Bevollmächtigten die Legitimation, durch rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vertretenen (Vollmachtgebers) unmittelbar für und gegen diesen Rechtswirkungen herbeizuführen (BGH BeckRS 14, 23023 Rz 17).
I. Die sog verdrängende Vollmacht.
Rn 2
Durch die Bevollmächtigung wird die Vertretungsmacht originär beim Stellvertreter begründet, ohne dass die Befugnis des Vollmachtgebers, in dem von der Vollmacht erfassten Bereich selbst noch Willenserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, hiervon berührt würde (BGH BeckRS 14, 23012 Rz 17). Eine den Vollmachtgeber verdrängende Vollmacht mit dinglicher Wirkung ist unvereinbar mit dem Rechtsgedanken des § 137 1 (BGH WM 71, 956, 957 [BGH 13.05.1971 - VII ZR 310/69]; aA Gernhuber JZ 95, 381 ff). Zu den Rechtsfolgen kollidierenden Handelns von Vertreter und Vertretenem s § 164 Rn 78.
II. Übertragbarkeit und Pfändbarkeit der Vollmacht.
Rn 3
Die Rechtsstellung des Bevollmächtigten ist grds nicht übertragbar, pfändbar und verpfändbar (MüKo/Schubert § 164 Rz 183; Erman/Maier-Reimer/Finkenauer Rz 17; vgl §§ 52 II, 58 HGB; 135 V 1 AktG). Eine vordringende Ansicht befürwortet abw von diesem Grundsatz eine rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit der Vollmachtnehmerstellung nach Maßgabe des Grundverhältnisses jedenfalls dann, wenn die Vollmacht ausschließlich im Interesse des Bevollmächtigten erteilt wurde (Staud/Schilken Rz 4; MüKo/Schubert § 164 Rz 183 abw Grüneberg/Ellenberger Rz 1: Übertragbarkeit mit Zustimmung des Vollmachtgebers). Möglich ist auch eine Ersatzbevollmächtigung (s Rn 51). Wenn die Vollmacht im Interesse des Bevollmächtigten erteilt wurde und insb dem Erwerb von Vermögensgegenständen durch den Bevollmächtigten dient, ist sie auch pfändbar (BayObLG DB 78, 1929 [BayObLG 13.07.1978 - BReg. 2 Z 37/77]; St/J/Würdinger § 857 Rz 3; Zö/Stöber § 857 Rz 2; abl Bork Rz 1426; für die Kontovollmacht Vortmann NJW 91, 1038).
III. Abstraktheit der Vollmacht.
Rn 4
Der Vollmachtserteilung liegt idR ein bestimmtes Rechtsverhältnis (Auftrag, Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag) zugrunde, das die Rechte und Pflichten des Bevollmächtigten regelt (sog kausale Vollmacht). Die Vollmacht ist nach dem Abstraktionsprinzip (s schon § 164 Rn 49) in ihrer Wirksamkeit von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis grds unabhängig (BGH NZI 21, 197 Rz 8; WM 20, 2287 Rz 8; NJW-RR 96, 848). Dennoch stehen Vollmacht und Grundgeschäft nicht beziehungslos nebeneinander (BeckOKBGB/Schäfer Rz 3). Das Grundgeschäft hat zB Auswirkungen auf das Erlöschen der Vollmacht gem § 168 und uU auch Bedeutung für ihren Inhalt (s Rn 27). Die Vollmachtserteilung kann ausnahmsweise ohne ein bestimmtes Grundverhältnis erfolgen (BGHZ 110, 363, 367). Um eine solche isolierte Vollmacht handelt es sich auch, wenn das ihrer Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht wirksam begründet worden ist (Zweibr OLGZ 85, 45, 46; zweifelnd Medicus/Petersen AT Rz 949).
IV. Vollmacht und Vertretergeschäft (Trennungstheorie).
Rn 5
Entgegen der Lehre von dem einheitlichen Gesamttatbestand sind die Bevollmächtigung und das Vertretergeschäft nach der herrschenden, auf der Repräsentationstheorie (§ 164 Rn 1) basierenden Trennungstheorie nicht als ein einheitlicher Akt anzusehen, sondern grds streng voneinander zu unterscheiden (Staud/Schilken vor § 164 Rz 22, 32).