Rn 6
Die Erteilung der Vollmacht ist, auch wenn sie in einem Vertragsantrag enthalten ist, eine selbstständige, einseitige, nicht annahmebedürftige Willenserklärung des Vollmachtgebers (BGH WM 07, 440, 442), die grds auch formularmäßig erklärt werden kann (BGHZ 136, 314, 321 ff; s § 305c Rn 9). Der Bevollmächtigte hat die Befugnis, die Vollmacht zurückzuweisen (Neuner AT § 50 Rz 11).
I. Vollmachtserklärung.
1. Interne und externe Vollmachtserteilung.
Rn 7
Empfänger der Vollmachtserklärung ist gem I entweder der Bevollmächtigte (Innenvollmacht) oder der Dritte (Außenvollmacht), dem ggü die Vertretung stattfinden soll. Die externe Bevollmächtigung kann auch durch Erklärung an eine Mehrzahl von Personen zB durch einen Rundbrief an Kunden eines Unternehmens erfolgen. Eine solche Bevollmächtigung durch Erklärung an die Öffentlichkeit ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die von der in § 171 genannten Vollmachtskundgabe zu unterscheiden ist und die wirksam wird, sobald die Öffentlichkeit von ihr Kenntnis nehmen kann (Neuner AT § 50 Rz 15). Der Außenvollmacht ähnl ist die nach außen kundgegebene Innenvollmacht (§§ 171 I, 172 I), bei der die Vollmachtskundgabe, die wie die Außenvollmacht an einen einzelnen Vertragspartner oder durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen kann, selbst jedoch keine Willenserklärung darstellt. Die Vollmachtskundgabe verursacht aber einen Rechtsschein, der selbstständige Bedeutung erlangen kann (MüKo/Schubert Rz 10, 61; Neuner AT § 50 Rz 15).
2. Auslegung der Vollmacht und konkludente Vollmachtserteilung.
Rn 8
Ob das Verhalten des Vertretenen als Vollmachtserteilung zu verstehen ist, ist in Zweifelsfällen durch Auslegung vom Empfängerhorizont (§§ 133, 157) zu ermitteln (MüKo/Schubert Rz 7). Während für die Auslegung einer Innenvollmacht der Verständnishorizont des Bevollmächtigten maßgeblich ist (BGH NJW 10, 1203 [BGH 14.01.2010 - III ZR 173/09] Rz 8), ist bei der Auslegung einer Außenvollmacht oder einer in einer Urkunde verlautbarten Vollmacht (§ 172) die Verständnismöglichkeit des Geschäftsgegners maßgeblich (BGH NJW 17, 2683 [BGH 23.02.2017 - III ZB 60/16] Rz 16). Wenn eine Außenvollmacht ggü einem unbestimmten Personenkreis erklärt wird, ist der Verständnishorizont eines durchschnittlichen Angehörigen dieses Personenkreises heranzuziehen (Neuner AT § 50 Rz 16). Soweit die Vollmacht keiner Form bedarf, kann sie auch durch schlüssiges Handeln (konkludent) erteilt werden (BeckOKBGB/Schäfer Rz 7). Eine Ausn gilt für die Prokura (§ 48 I HGB). Der Grundstücksvermittler kann zum Abschluss eines Beratungsvertrages zwischen dem Käufer und dem Verkäufer der Immobilie, nicht aber mit der finanzierenden Bank (BGH WM 04, 1221, 1224) konkludent bevollmächtigt sein, wenn der Verkäufer auf jeglichen Kontakt mit der Käufer verzichtet und dem Vermittler die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife überlässt (BGH WM 15, 1510 Rz 9 ff). Die Abgrenzung der konkludenten Vollmacht zur Duldungsvollmacht kann im Einzelfall schwierig sein (s Rn 39).
II. Form der Vollmacht (Abs 2).
Rn 9
Für die Bevollmächtigung gilt nach II der Grundsatz der Formfreiheit auch dann, wenn das vorgesehene Vertretergeschäft formbedürftig ist. Die §§ 80, 89 II ZPO enthalten eigene Regelungen für die Prozessvollmacht, die II verdrängen (s § 164 Rn 25). Auch die widerrufliche Vollmacht zur Zwangsvollstreckungsunterwerfung (§ 794 I Nr 5 ZPO) bedarf keiner besonderen Form (BGH WM 06, 177, 179; MDR 08, 944 Rz 13). Zur Formbedürftigkeit einer Kreditvollmacht nach § 4 I 1 VerbrKrG aF, s § 492 Rn 3. Von dem Grundsatz der Formfreiheit nach II gelten für die Praxis wichtige Ausnahmen.
1. Gesetzlicher und gewillkürter Formzwang.
Rn 10
ZT sieht das Gesetz solche Ausnahmen wie zB in den §§ 492 IV 1, 1945 III 2 iVm 1955, 1484 II; 12 II HGB; 2 II, 47 III GmbHG ausdrücklich vor. Die Formbedürftigkeit einer Vollmacht kann sich auch aus einer Vereinbarung ergeben, die der Vollmachtgeber mit dem Bevollmächtigten oder dem Vertragspartner getroffen hat, und aus der Satzung einer juristischen Person (Staud/Schilken Rz 18).
2. Teleologische Reduktion des Abs 2.
Rn 11
Darüber hinaus haben Rspr und Lehre den Grundsatz der Formfreiheit aufgrund einer aus dem Zweck der betreffenden Formvorschrift herzuleitenden teleologischen Reduktion des II wesentlich eingeschränkt. Nach der Rspr gelten Formvorschriften mit einer Warnfunktion (zB §§ 311b I, 518, 766, 780, 781) auch für die Vollmacht, wenn die Vollmacht unwiderruflich oder sonst mit gleicher rechtlicher oder tatsächlicher Bindung erteilt wurde (BGH NJW 98, 1857, 1858f [BGH 01.04.1998 - XII ZR 278/96]). Für diese Auffassung und gegen die weitergehende Ansicht, dass die Formvorschriften mit Warnfunktion generell auf die Erteilung der Vollmacht zum Abschluss eines formbedürftigen Geschäfts anzuwenden sind (Staud/Schilken Rz 20), spricht, dass es keiner Warnung bedarf und die Reduktion des II daher zu weit ginge, wenn noch nicht einmal eine faktische Bindung eintritt (Bork Rz 1466).
Rn 12
Insbes eine Vollmacht zum Grundstücksverkauf oder -erwerb nach § 311b I ist nach stRspr formbedürftig, wenn sie unwiderruflich erteilt wurde und damit für den Vollmachtgeber bereits eine Bindung mit sich bringt (BGHZ 132, 120, 124). Das gilt auch, wenn die Vol...