Gesetzestext
1Die Annahme darf nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen oder wenn zu befürchten ist, dass Interessen des Anzunehmenden durch Kinder des Annehmenden gefährdet werden. 2Vermögensrechtliche Interessen sollen nicht ausschlaggebend sein.
Rn 1
Eine Adoption erfordert nach § 1741 die besondere Berücksichtigung des Kindeswohls. § 1745 verlangt eine Prüfung und Gesamtabwägung unter Einbeziehung wichtiger Interessen aller Beteiligten, insb der bisherigen Kinder des Annehmenden, soweit vorhanden. Bisherige Kinder des Annehmenden haben kein grundsätzliches Anrecht darauf, keine weiteren Geschwister zu bekommen, sie müssen die Konkurrenz des Adoptivkindes als Unterhaltsgläubiger wie auch als Erbberechtigter grds hinnehmen (vgl BGH FamRZ 84, 378).
Rn 2
Im Vordergrund stehen immaterielle Interessen, was sich aus 2 ableitet. Zu denken ist bspw an eine Überforderungssituation des Annehmenden mit der Pflege und Erziehung (Hambg ZfJ 54, 31; MüKoBGB/Maurer 8. Aufl 2020, BGB § 1745 Rz 16f) oder hinsichtlich bisheriger Kinder, mit denen der Annehmende nicht in einer häuslichen Gemeinschaft lebt, an eine fortschreitende Entfremdung (MüKoBGB/Maurer 8. Aufl. 2020, BGB § 1745 Rz 38).
Rn 3
Vermögensrechtliche Interessen sind oftmals in die Interessenabwägung einzustellen, denn eine Adoption hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen, so im Bereich des Erbrechtes und auch hinsichtlich der Unterhaltspflichten. Besonders zu achten ist auf unterhaltsrechtliche Auswirkungen aufgrund einer beantragten Adoption (BayObLG FamRZ 00, 767). Allerdings soll eine Adoption nicht alleine an wirtschaftlichen Interessen scheitern. Der Umstand, dass das Hinzutreten eines weiteren Unterhaltsberechtigten zu einer Reduzierung des Unterhaltsanspruchs der leiblichen Kinder gg den Annehmenden auf den Mindestunterhalt führt, genügt nicht, um von einem Überwiegen der Interessen der Kinder des Annehmenden auszugehen (Köln FamRZ 15, 412). Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn das bisherige Kind durch die Adoption und die damit einhergehende Schmälerung der Unterhaltsansprüche auf Sozialhilfe angewesen wäre (vgl BGH FamRZ 84, 378; Nürnbg FuR 19, 479).
Rn 4
Gem § 193 FamFG bedarf es der Anhörung der Kinder von Annehmendem bzw Anzunehmendem, denn nur auf diesem Weg wird das FamG Kenntnis von entgegenstehenden Interessen erlangen. Den anzuhörenden Kindern ist die Gelegenheit zur Stellungnahme auf der Grundlage vollständiger Informationen über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu geben, einschließlich des Ergebnisses der persönlichen Anhörung des Anzunehmenden und des Inhalts des Adoptionsantrages selbst (BVerfG FamRZ 24, 360, 362). Sind die anzuhörenden Kinder noch minderjährig, muss die Anhörung über den jeweiligen gesetzlichen Vertreter erfolgen. Das FamG kann trotz bestehender Amtsermittlungspflicht grds darauf vertrauen, dass relevante Tatsachen und Umstände durch die Kinder bzw deren gesetzliche Vertreter geltend gemacht werden, denn alle Beteiligten haben eine Mitwirkungspflicht (§ 27 FamFG) und die Amtsermittlung erstreckt sich nur auf solche Umstände, für die das Gericht Anhaltspunkte hat. Es muss also nicht allen nur theoretisch denkbaren Ansätzen nachgegangen werden. Einer Anhörung bedarf es dagegen nicht, wenn das FamG aufgrund fehlender sittlicher Rechtfertigung den Ausspruch der Annahme ablehnt (BGH NZFam 21, 964 m Anm Löhnig). Mangels Beteiligtenstellung haben die anzuhörenden Kinder keinen Anspruch auf Gewährung von VKH (Karlsr FamRZ 24, 371).
Rn 5
Ein Beschwerderecht steht den Kindern des Annehmenden oder Anzunehmenden bei einem Ausspruch der Adoption nicht zu (§ 197 III 1 FamFG). Mangels Vergleichbarkeit der jeweiligen Lage begründet das Fehlen eines Beschwerderechts der Kinder auch keine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Gleichem iSv Art 3 I GG in Bezug auf das Beschwerderecht des Annehmenden und Anzunehmenden nach §§ 58, 59 FamFG im Fall einer abgelehnten Adoption (BVerfG NJW 22, 3210, 3212 [BVerfG 05.08.2022 - 1 BvR 2329/21]). Wurden die Kinder jedoch gar nicht angehört, begründet dies einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör gem Art 103 I GG mit der Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde (BVerfG FamRZ 94, 493). Gleiches gilt, wenn das Gericht eine ordnungsgemäß eingereichte Stellungnahme nicht zur Kenntnis nimmt (BVerfG NZFam 23, 569).