Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Gesetzestext
Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist verstrichen ist; mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift regelt den Zeitpunkt des Erbschaftserwerbs im Interesse der Rechtssicherheit. Die endgültige Erbenstellung tritt durch die Annahme der Erbschaft bzw durch Ablauf der Ausschlagungsfrist ein, ohne dass die Ausschlagung erklärt worden wäre. Die Annahme bewirkt den Verlust des Ausschlagungsrechts.
B. Annahme.
Rn 2
Zur Annahme der Erbschaft ist Geschäftsfähigkeit erforderlich. Die fehlende Kenntnis vom Ausschlagungsrecht berechtigt bei der ausdrücklichen Annahmeerklärung nicht zur Anfechtung.
Rn 3
Die Annahme ist dabei eine gestaltende, jedoch nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (Soergel/Naczinsky § 1943 Rz 2 mwN), die ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann. IdR wird sie ggü einem Nachlassbeteiligten, wie zB dem Nachlassgläubiger, -schuldner, Miterben, Vermächtnisnehmer oder dem Nachlassgericht erklärt (MüKo/Leipold § 1943 Rz 3).
Rn 4
Nach § 1946 kann die Annahme, die zu ihrer Wirksamkeit keiner Form bedarf, nicht vor dem Anfall der Erbschaft erfolgen (bei Vor- und Nacherbschaft vgl § 2142 Rn 1).
Rn 5
Ist dem Erben die Annahme der Erbschaft beamten- oder tarifrechtlich verboten (§ 1923 Rn 2) und nimmt er die Erbschaft dennoch an, entfaltet diese Erklärung gleichwohl erbrechtliche Wirksamkeit, da das Verbot nur dienstrechtlich wirkt (Soergel/Stein § 1943 Rz 7).
I. Stillschweigende Annahme.
Rn 6
Voraussetzung einer stillschweigenden Annahme ist eine nach außen erkennbare Handlung des Erben ggü einem Nachlassbeteiligten (Köln ZErb 14, 314), der zu entnehmen ist, dass er sich zur endgültigen Übernahme der Erbschaft entschlossen hat (Erman/Schmidt § 1943 Rz 3). Nimmt der Erbe derartige Handlungen vor, ist ein innerer auf die Annahme gerichteter Wille zunächst nicht entscheidend (MüKo/Leipold § 1943 Rz 4). Ein fehlender Annahmewille kann nur durch Anfechtung geltend gemacht werden.
Rn 7
Von einer Annahme ist etwa auszugehen: Aufnahme des ruhenden Prozesses oder Einlassung auf diesen (BGH NJW 89, 2885 [BGH 08.02.1989 - IVa ZR 98/87]), Geltendmachung des Erbschaftsanspruchs (Staud/Otte § 1943 Rz 10) und der Verkauf (BayObLG Recht 06, Nr 2515), Stellung eines Erbscheinsantrags, Verfügung über einen einzelnen Nachlassgegenstand (BayObLGZ 83, 153; Abschluss eines Aufteilungsvertrages (Köln ZErb 14, 312), das Angebot eines Nachlassgrundstücks über einen Makler (Oldbg FamRZ 95, 594), Antrag auf Erlass eines Gläubigeraufgebots (Erman/Schmidt § 1943 Rz 3), ausdrücklicher Verzicht auf die Schlussrechnung bei Betreuung des Erblassers (Celle ZEV 22, 219) sowie der Grundbuchberichtigungsantrag zur Eintragung der eigenen Person nach § 22 GBO.
Rn 8
Eine Annahme liegt noch nicht vor in der Errichtung eines Nachlassverzeichnisses (RGRK/Johannsen § 1943 Rz 8), in der Erhebung einer Auskunftsklage gegen den Testamentsvollstrecker (BayObLG NJW-RR 05, 232), in der Kontensperrung (Celle OLGZ 65, 30) oder einem Auskunftsverlangen ggü einer Bank (München FamRZ 22, 563). Die Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände durch den vorläufigen Erben in der irrigen Annahme, er sei bereits vor dem Erbfall Eigentümer gewesen, stellt keine Erbschaftsannahme dar (BayObLGZ 4, 60; aA MüKo/Leipold § 1943 Rz 4). Allerdings hat der vorläufige Erbe auch während der Überlegungsfrist Maßnahmen der Fürsorge für den Nachlass zu treffen, ohne dass darin eine Annahme liegen würde (Celle OLGZ 65, 30). Hierzu gehören insb die Erklärungen über den Nachlass ggü dem Nachlassgericht (Köln OLGZ 80, 235) sowie der Antrag auf Testamentseröffnung (Celle OLGZ 65, 30), auf Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz. Auch die Zahlung der Beerdigungskosten (MüKo/Leipold § 1943 Rz 5) oder die anfängliche Fortführung eines Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma bzw die Eintragung des Erben im Handelsregister, (KGJ 38 A 50, 51) stellen keine Annahme dar.
II. Vertretung.
Rn 9
Der Erbe kann sich bei der Annahme nach den allg Vorschriften – auch durch Vorsorgevollmacht (vgl Ddorf ZEV 19, 422 – vertreten lassen (nicht jedoch über Anscheins- oder Duldungsvollmacht, Bremen FamRZ 15, 1752), das Recht zur Annahme unterliegt aber nicht der Pfändung (München ZEV 15, 219). Die Vollmacht bedarf keiner Form. Für beschränkt Geschäftsfähige und Geschäftsunfähige können ihre gesetzlichen Vertreter die Annahme, im Gegensatz zur Ausschlagung, ohne familiengerichtliche Genehmigung erklären (§ 1643 III). Handeln beide Elternteile als gesetzliche Vertreter, bedarf es der Erklärung beider (zur Ausschlagung vgl § 1944 Rn 21, § 1945 Rn 11). Allerdings kann der beschränkt Geschäftsfähige mit Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters die Erbschaft annehmen; die Annahme ist aber als ein einseitiges Rechtsgeschäft nicht genehmigungsfähig, § 111. Für die Leibesfrucht kann bereits vor der Geburt des Erben die Erbschaft angenommen werden, (MüKo/Leipold § 1943 Rz 7; aA: Grüneberg/Weidlich § 1943 Rz 4). Auch ist die...