Prof. Dr. Martin Avenarius
Gesetzestext
(1) 1Sind mehrere Erben in der Weise eingesetzt, dass sie die gesetzliche Erbfolge ausschließen, und fällt einer der Erben vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls weg, so wächst dessen Erbteil den übrigen Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile an. 2Sind einige der Erben auf einen gemeinschaftlichen Erbteil eingesetzt, so tritt die Anwachsung zunächst unter ihnen ein.
(2) Ist durch die Erbeinsetzung nur über einen Teil der Erbschaft verfügt und findet in Ansehung des übrigen Teils die gesetzliche Erbfolge statt, so tritt die Anwachsung unter den eingesetzten Erben nur ein, soweit sie auf einen gemeinschaftlichen Erbteil eingesetzt sind.
(3) Der Erblasser kann die Anwachsung ausschließen.
Rn 1
§ 2094 I betrifft den Fall, dass der Erblasser durch seine Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge vollständig ausgeschlossen hat und einer der gewillkürten Erben aus jeglichem tatsächlichen oder rechtlichen Grund anfänglich oder später wegfällt. Für diesen Fall geht § 2094 davon aus, dass der Erblasser diese abschließende Regelung auch bei Wegfall eines Erben aufrechterhalten will. § 2094 gilt deshalb nicht bei Widerruf der Erbeinsetzung, weil damit der Erblasser seinen Gesamtregelungsplan aufgegeben hat (BayObLG FamRZ 93, 736). Die Anwendung der Vorschrift auf den Fall der Nichtigkeit der Erbeinsetzung ist str; differenzierend Staud/Otte § 2094 Rz 2. Zur Anwachsung für den Fall, dass ein als Schlusserbe Eingesetzter nach dem ersten Todesfall trotz Verwirkungsklausel den Pflichtteil verlangt, vgl Hamm ErbR 21, 425 [OLG Hamm 27.01.2021 - 10 W 71/20].
Rn 2
Infolge der Anwendung dieser Regel wächst den übrigen gewillkürten Erben der Erbteil des weggefallenen Erben im Verhältnis der vom Erblasser bestimmten Erbteile zueinander zu. Gleiches gilt bei Anordnung gewillkürter Erbfolge für einen Bruchteil der Erbschaft, § 2094 II. Es entsteht damit kein zweiter Erbteil in der Hand des Erben, sondern es bleibt vielmehr bei einem einheitlichen Erbteil bei jedem Erben, soweit nicht die Ausnahmevorschriften der §§ 2007, 2095, 2110 und 2373 1 greifen.
Rn 3
Ist also A zu 1/2 (= 2/4), B zu ¼ und C zu 1/4 eingesetzt und fällt C weg, so ist das freiwerdende 1/4 nicht gleichmäßig, sondern im Verhältnis 2:1 auf A und B zu verteilen. Von dem 1/4 (= 3/12) erhält also A 2/12 und B 1/12, so dass A insgesamt einen Erbteil von 1/2 (= 6/12) + 2/12 = 8/12 (= 2/3) erhält und B einen Erbteil von 1/4 (= 3/12) + 1/12 = 4/12 (= 1/3).
Rn 4
§ 2094 III ordnet an, dass der Erblasser die Anwachsung für einzelne Erben oder insgesamt ausschließen kann. Ein Ausschluss ergibt sich allerdings noch nicht aus der Erbeinsetzung auf einen Bruchteil allein (KG FamRZ 77, 344), sondern nur dann, wenn feststeht, dass ein Erbe keinesfalls mehr erhalten soll. Eine Ersatzerbenberufung, die sich auch aus der Auslegungsregel des § 2069 ergeben kann (BayObLG FamRZ 91, 614), schließt die Anwachsung aus (§ 2099); fehlt es an ihr, greift I 1 ein (Ddorf FamRZ 21, 807).