Prof. Dr. Gottfried Schiemann
Gesetzestext
Ist das Vermächtnis unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet und tritt die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall ein, so erfolgt der Anfall des Vermächtnisses mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins.
Rn 1
Abw von § 2176, aber übereinstimmend mit den allg Regeln für Bedingungen und Befristungen (§§ 158 I, 163) lässt die Vorschrift aufschiebend bedingte oder befristete Vermächtnisse erst vom Eintritt der Bedingung oder vom Ablauf der aufschiebenden Frist an entstehen. Zwischen Erbfall und Vermächtnisanfall hat der Vermächtnisnehmer allerdings, wie § 2179 klarstellt, schon eine rechtlich gesicherte Position nach §§ 160, 162. Sie kann übertragen und in sie kann vollstreckt werden (RG JW 29, 586). Besonders verbreitet sind Vermächtnisse nach § 2177 zur Absicherung eines Berliner Testaments (›Jastrowsche Klausel‹, vgl NK/Horn Rz 10 m Fn 31). Nach § 2074 muss der Bedachte im Zweifel den Bedingungseintritt erleben. Andernfalls ist das Vermächtnis unwirksam. Ist der Vermächtnisnehmer ein Abkömmling des Erblassers, ist allerdings auch die Auslegungsregel des § 2069 für dessen Abkömmlinge (also typischerweise die Enkel des Erblassers) einschlägig und hat dann Vorrang vor § 2074 (BGH NJW 58, 22 [BGH 23.10.1957 - IV ZR 193/57]; NK/Horn Rz 5). Unwirksam wird das Vermächtnis ferner nach § 2162, wenn nicht ein Fall des § 2163 vorliegt.
Rn 2
§ 2074 gilt für das befristete Vermächtnis nicht, so dass die Anwartschaft des Vermächtnisnehmers im Zweifel auf dessen Erben übergeht. Im Einzelfall kann die Auslegung allerdings ergeben, dass der Erblasser das Vermächtnis gar nicht befristen, sondern nur dessen Fälligkeit hinausschieben wollte. Dann gilt für den Anfall wieder § 2176 mit der Folge des § 2184 für Zwischenfrüchte und der Unanwendbarkeit der §§ 2162, 2163. Diese Unterscheidung muss auch beim Vermächtnis wiederkehrender Leistungen beachtet werden: Üblicherweise ist das Stammrecht sofort mit dem Erbfall angefallen, auch wenn die Einzelleistungen uU erst nach mehr als dreißig Jahren fällig werden (Staud/Otte Rz 6).
Rn 3
Nicht von § 2177 erfasst sind Vermächtnisse unter einer auflösenden Bedingung oder einem Endtermin. Beides führt zu keiner dinglichen Rechtsänderung. Ist für diesen Fall ein anderer bedacht, liegt ein Nachvermächtnis nach § 2191 vor. Andernfalls hat der Beschwerte einen Rückgewähranspruch nach § 812 I 2 Alt 1 wegen Wegfalls des Rechtsgrundes. Diesen Anspruch kann der Erblasser von den Schwächen des Bereicherungsrechts (insb § 818 III) entlasten, indem er dem Beschwerten den Vermächtnisgegenstand wiederum als Rückvermächtnis vermacht.